Konsequenzen der COVID-19-Pandemie

Die COVID-19-Pandemie hat auch mietrechtliche Konsequenzen: Der Lockdown hat zu einer vorübergehenden (gänzlichen oder teilweisen) Unbenutzbarkeit von Mietobjekten aufgrund behördlich angeordneter Betretungsverbote geführt. Weder Mieter:innen noch Vermieter:innen wollen auf den Kosten sitzen bleiben. Mittlerweile liegen mehrere höchstgerichtliche Entscheidungen vor. Die jüngste Entscheidung weist erstmals vermieterfreundliche Tendenzen auf.

Als Folge der COVID-19-Pandemie hat das Recht der Mieter:innen auf Mietzinsminderung an erheblicher Bedeutung gewonnen. Es beschäftigen die §§ 1104 f ABGB seither (Mietrechts-)Expert:innen, Gutachter:innen, Berater:innen und Gerichte. Kurz zusammengefasst: Mieter:innen sind gemäß § 1104 ABGB nicht zur Zahlung des Mietzinses verpflichtet, wenn das Bestandobjekt wegen außerordentlicher Zufälle, wie etwa Seuchen, gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann. Ist die vertragsgemäße charakteristische Nutzung eines Bestandobjekts nur eingeschränkt möglich, so sieht § 1105 ABGB die teilweise Herabsetzung des Mietzinses im Umfang der Gebrauchsbeeinträchtigung vor. Der OGH hat sich mittlerweile in insgesamt vier Entscheidungen mit diesem brisanten Thema auseinandergesetzt.

Behördliches Betretungsverbot

Nach mehreren erst- und zweitinstanzlichen Entscheidungen erging schließlich am 21. Oktober 2021 die erste Entscheidung des OGH zur Frage der Mietzinsbefreiung wegen pandemiebedingter Betretungsverbote (3 Ob 78/21y). Gegenstand des Verfahrens war die Frage, ob die Mieterin eines Solarstudios verpflichtet war, den Mietzins für April 2020 zu bezahlen, obwohl Kund:innen in diesem Monat das Geschäftslokal aufgrund behördlicher Anordnung nicht betreten durften. Der OGH entschied wenig überraschend, dass die COVID-19-Pandemie als Seuche zu qualifizieren sei und folglich einen außerordentlichen Zufall gemäß § 1104 ABGB darstelle. Aufgrund des als behördliche Maßnahme ergangenen Betretungsverbots konnte das gemietete Geschäftslokal nicht (auch nicht teilweise) zur Erfüllung des vertraglichen Geschäftszwecks genutzt werden. Die Kriterien des § 1104 ABGB seien auch dann erfüllt, wenn erst unmittelbar aus der behördlichen Anordnung (im konkreten Fall: dem Betretungsverbot) folgt, dass das Bestandobjekt nicht genutzt werden darf. Der OGH hat weiters erklärt, dass das bloße Belassen des Inventars in den gemieteten Räumlichkeiten keine (teilweise) Nutzung des Bestandobjekts darstellen würde. Folglich kann auch kein Anspruch auf teilweise Zahlung des Mietzinses begehrt werden. Die Mieterin hatte als Folge der Anwendbarkeit des § 1104 ABGB keinen Mietzins zu entrichten.

Aus der Entscheidung kann freilich nicht geschlossen werden, dass auch eine Lagerung von Waren (also etwa in einer Lagerhalle) keine teilweise Benutzung des Mietobjekts darstellt.

Im Einkaufszentrum

In seinen – im Wesentlichen inhaltsgleichen – Entscheidungen vom 25. November 2021 (3 Ob 184/21m) sowie 13. Dezember 2021 (5 Ob 192/21b) hat sich der OGH mit folgender Frage beschäftigt: Hat der Umstand, dass das vom behördlichen Betretungsverbot betroffene Bestandobjekt in einem Einkaufszentrum liegt, Auswirkungen auf den Anspruch auf Mietzinsminderung? Der OGH stellte dabei auf die vertragliche Nutzungsmöglichkeit des konkreten Bestandobjekts ab. Die Tatsache, dass das von der Mieterin betriebene Nagel- und Kosmetikstudio bzw Fitnessstudio in einem Einkaufszentrum gelegen ist, welches auch während des Lockdowns für bestimmte systemerhaltende Zwecke (wie zB Apotheken, Lebensmittel und Drogerien) betreten werden durfte, änderte für den OGH nichts an der Unbenutzbarkeit eines konkreten Bestandobjekts.

Die bloße Lage in einem Einkaufszentrum stelle demnach keinen gesonderten Gebrauchswert dar. Denn aus der weiterhin bestehenden Parkmöglichkeit, der Versorgung des Einkaufszentrums mit Energie und seiner Bewachung und Reinigung könne kein geschäftlicher Nutzen für den Mieter abgeleitet werden. Auch in diesem Fall konnten sich die Mieter:innen auf ihr gesetzliches Mietzinsminderungsrecht berufen.

Vermieterfreundliche Entscheidung

In seiner bis dato letzten COVID-Entscheidung vom 25. Jänner 2022 schlägt der OGH erstmals einen vermieterfreundlicheren Ton an (8 Ob 131/21d). Bei der mittlerweile als „Gastro“-Urteil bekannten Entscheidung hat sich der OGH im Detail mit der Frage der teilweisen Unbenutzbarkeit eines Bestandgegenstands auseinandergesetzt. Dabei hat er besonderes Augenmerk auf den Vertragszweck gelegt. Im Falle eines Gastronomiebetriebs wurde geprüft, ob der Verwendungszweck „Gastgewerbe“ auch Take-away sowie die Lieferung von Speisen und Getränken beinhaltet. Der OGH hält in diesem Zusammenhang fest, dass unter die Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe auch die Lieferung und damit der Verkauf von Speisen und Menüs ohne Nebenleistungen fällt. Ferner berechtigt § 111 Abs 4 Z 4 lit a GewO den Gastwirt insbesondere dazu, alles, was er den Gästen im Betrieb verabreicht, zB auch Torten und Mehlspeisen (auch im Ganzen), über die Gasse zu verkaufen.

Der OGH hat sich in diesem Zusammenhang ausführlich mit der Frage beschäftigt, ob die Unbrauchbarkeit bzw Unbenützbarkeit anhand eines objektiven Maßstabes zu beurteilen ist. Während diese Frage in der Literatur kritisch betrachtet wird, folgt der OGH folgender Ansicht: Bereits die abstrakte Nutzungsmöglichkeit der Mieter:innen führt zu einer zumindest teilweisen Brauchbarkeit des Bestandobjekts und damit gemäß § 1105 ABGB zu einer (nur) anteiligen Mietzinsminderung nach der relativen Berechnungsmethode. Für die Beurteilung komme es weder darauf an, ob die Mieter:innen schon vor der Pandemie einen Liefer- oder Abholservice betrieben, noch ob sie subjektiv von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben. Mieter:innen steht allerdings der Einwand offen, dass die Etablierung eines bisher nicht betriebenen Take-away sowie Lieferservices nicht (sofort) zumutbar gewesen wäre. Die Beweislast hierfür trifft die Mieter:innen.

Keine Weiterleitung des Fixkostenzuschusses

Das Streben der Vermieter:innen, den Mietzinsausfall mit Hilfe der den Mieter:innen gewährten Fixkostenzuschüsse wettmachen zu können, hat sich nicht erfüllt. Eine Verpflichtung für Mieter:innen, diese staatliche Unterstützung an die Vermieter:innen herauszugeben, besteht nach Ansicht des OGH jedenfalls nicht. Dies würde sich bereits durch den Umstand ergeben, dass eine Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Fixkostenzuschusses ist, dass Mieter:innen zumutbare Maßnahmen gesetzt haben, um ihre Fixkosten zu reduzieren. Dieser Schadensminderungsobliegenheit wird insbesondere dadurch nachgekommen, dass eine Mietzinsminderung geltend gemacht wird. Eine Überlassung des Fixkostenzuschusses an die ­Vermieter:innen scheidet folglich aus.

Offene Fragen

Mit der – im Schrifttum unterschiedlich beantworteten – Frage, ob Mieter:innen trotz Anwendbarkeit der §§ 1104 und 1105 ABGB verpflichtet sein könnten, Betriebskosten zu zahlen, hat sich der OGH bis dato noch nicht beschäftigt. Zwar hat sich das zweitinstanzliche Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien in seiner Entscheidung 39 R 27/21s dahingehend ausgesprochen, die Befassung des OGH mit dem Thema Behandlung der Betriebskosten steht aber noch aus.

Auch eine OGH-Rechtsprechung zu Pachtverträgen steht noch aus. Bei gänzlicher Unbenutzbarkeit des Bestandobjekts werden Miete und Pacht durch § 1104 ABGB gleichbehandelt. Bei bloß teilweiser Unbenutzbarkeit sind Pächter:innen, was pandemiebedingte Zinsminderungsmöglichkeiten betrifft, jedoch gegenüber Mieter:innen deutlich schlechter gestellt. So greift die Pachtzinsherabsetzung nach dem Gesetzeswortlaut nur bei kurzfristigen (einjährigen) Pachten und setzt zumindest mehr als 50 Prozent Ertragsverlust voraus. Kurzfristige Pachten sind praktisch kaum mehr relevant, da die in der Praxis wichtigen Pachtverträge etwa in der Hotellerie oder – soweit zulässig – in Einkaufszentren stets für längere Zeiträume abgeschlossen werden.

Die Praxis wartet hier noch auf eine OGH-Rechtsprechung (Stand: 8. Juni 2022). Die Zulässigkeit der unterschiedlichen Behandlung von Miete und Pacht beschäftigt außerdem derzeit den Verfassungsgerichtshof.

ANSPRECHPARTNER

Stefan Arnold

Stefanie Heimel

Bei gänzlicher Unbenutzbarkeit des Bestandobjekts werden Miete und Pacht durch § 1104 ABGB gleichbehandelt. Bei bloß teilweiser Unbenutzbarkeit sind Pächter:innen in Bezug auf Zinsminderungsmöglichkeiten jedoch gegenüber Mieter:innen (noch) deutlich schlechter gestellt. Die Schlechterstellung unterliegt derzeit der Prüfung durch den VfGH.