Unternehmen in der Bank-, Finanz- und Versicherungsbranche sind verpflichtet, regelmäßig für sich selbst Vergütungsleitlinien zu ­erfassen, nach denen die Vergütung von Mitarbeiter:innen des Unternehmens ausgerichtet wird. Dabei sind bestimmte Vergütungsgrundsätze einzuhalten, die vom Gesetzgeber vorgegeben werden.¹ In einer rezenten Entscheidung äußerte sich der EuGH zur Qualifikation von Dividenden als Vergütung im Sinne dieser Vergütungsgrundsätze.²

Im konkreten Fall ging es um Vergütungspraktiken einer ungarischen Fonds-Verwaltungsgesellschaft (OGAW und AIF), der zufolge einige Mitarbeiter:innen neben ihrer laufenden Vergütung regelmäßig Dividenden aus der Beteiligung an der gegenständlichen Verwaltungsgesellschaft bezogen. In einem Vorabentscheidungsverfahren ging der EuGH schließlich der Frage nach, ob diese Dividenden als variable Vergütung anzusehen sind, und damit der Vergütungspolitik von OGAW- bzw AIF-Verwaltungsgesellschaften unterliegen. Zunächst hielt der EuGH zwar fest, dass „Vergütung“ grundsätzlich eine Geld- oder Sachleistung als Gegenleistung für Arbeit sei. Dividenden würden dieser Definition daher grundsätzlich nicht entsprechen. Allerdings dürfen die Vergütungsgrundsätze laut EuGH nicht umgangen werden. Auch wenn Dividenden keine Gegenleistung für Arbeit darstellen, können sie dennoch begünstigte Mitarbeitende dazu verleiten, eine kurzfristige Gewinnmaximierung – und in Folge eine höhere Dividendenzahlung – über das langfristige Interesse der Verwaltungsgesellschaft, der Kunden oder der Allgemeinheit zu stellen.

Folglich müssen auch Dividenden in die variable Vergütung von Mitarbeiter:innen einbezogen werden.

Das Urteil hat überdies Auswirkungen auf bisher übliche Dividenden einer Verwaltungsgesellschaft an eine Mutter-Vertriebseinheit. Wenn Dividenden Mitarbeitende zu nicht-nachhaltigem Handeln verleiten können, so gilt dies gleichermaßen, wenn die Vertriebseinheit die Dividenden bezieht. Eine kurzfristige Dividendenerhöhung – etwa durch einen Vertriebsfokus auf Quantität statt Qualität – könnte in gleicher Weise mit langfristigen Interessen in Konflikt stehen, wie direkte Vertriebsprovisionen dies tun.

Für den Aufsichtsrat einer OGAW- oder AIF-Verwaltungsgesellschaft ergibt sich somit der Bedarf, die bestehenden Vergütungssysteme im Hinblick auf diese EuGH-Entscheidung zu überprüfen bzw dies anzuregen. Außerdem wird zu untersuchen sein, ob Dividenden einer Verwaltungsgesellschaft an eine Vertriebseinheit als Inducements iSd diesbezüglichen europäischen Regelungen unter MiFID und OGAW zu werten sind und damit den entsprechenden Anforderungen (einschließlich Offenlegung an den Kunden) unterliegen. Diese Diskussion wird durch die neue EuGH-Entscheidung sicherlich neu entfacht werden.


¹ FMA-Rundschreiben zu §§ 39 Abs 2, 39b und 39c BWG über Grundsätze der Vergütungspolitik und -Praktiken (Neufassung Juni 2022); § 107 Abs 3 VAG; Art 275 DelVO (EU) 2015/35; §§ 39 Abs 2, 39b BWG.

² EuGH C-352/20 HOLD Alapkezelő, ECLI:EU:C:2022:606.