1. Sachverhalt

Jüngst forderte das HG Wien eine österreichische GmbH („öGmbH“) auf, ihre ungarische Zweigniederlassung zum Firmenbuch anzumelden. Die Geschäftsführung der öGmbH verneinte eine entsprechende Anmeldepflicht. Daher kam sie der Aufforderung des HG Wien nicht nach. Daraufhin leitete das HG Wien ein Zwangsstrafverfahren gegen die Geschäftsführer der öGmbH ein und verhängte (angesichts der unklaren Rechtslage symbolische) Zwangsstrafen. Der Rekurs ist aktuell am OLG Wien anhängig.

2. Bisherige Rechtslage

Nach § 3 Abs 1 Z 6 FBG sind unter anderem bei GmbHs deren Zweigniederlassungen mit ihrem Ort, der für Zustellungen maßgeblichen Geschäftsanschrift und ihrer Firma, wenn diese von der Firma der Hauptniederlassung abweicht, einzutragen und entsprechend anzumelden.

Bislang entsprach es der (höchst-)gerichtlichen Rechtsprechung und einhelligen Literatur, dass ausländische Zweigniederlassungen inländischer Unternehmen im österreichischen Firmenbuch nicht anzumelden sind. Teleologisch beruht diese Ansicht auf dem Gedanken, dass für eine solche Anmeldepflicht keinerlei Notwendigkeit (etwa aus den Gründen der Publizität oder des Gläubigerschutzes) besteht. Systematisch beruht diese Auslegung auf der Interpretation des Begriffs „Zweigniederlassung“ in § 3 Abs 1 Z 6 FBG im Sinne dieses Begriffs in § 12 UGB. Dieser Begriff erfasst nämlich – historisch betrachtet – nur inländische Zweigniederlassungen.

3. (Neue) Rechtsansicht des HG Wien

Begründet wurden die angefochtenen Beschlüsse vom HG Wien nun im Wesentlichen dennoch mit § 3 Abs 1 Z 6 FBG. Dieser unterscheide – rein sprachlich betrachtet – nicht danach, ob der Ort der Zweigniederlassung im Inland oder im Ausland liege. Im Übrigen wird auf § 37 Abs 3 FBG sowie auf die RL (EU) 2019/1151 hingewiesen.

Diese Begründung überzeugt allerdings nicht.

4. RL (EU) 2019/1151 / GesDiG 2022

§ 37 Abs 3 FBG wurde – in Umsetzung der Richtlinie RL (EU) 2019/1151 – durch das GesDiG 2022 eingeführt. Danach übermittelt das für eine Gesellschaft oder eine Zweigniederlassung (ausländischer Gesellschaften) zuständige Firmenbuchgericht an die zentrale Europäische Plattform automationsunterstützt unter anderem Informationen über die Eintragung oder Löschung der Zweigniederlassung. Art 28a Abs 7 RL (EU) 2019/1151 sieht (ergänzend) vor, dass der Mitgliedsstaat, in dem die Gesellschaft eingetragen ist, (a) den Eingang einer Mitteilung der Eintragung einer Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedsstaat bestätigt, und (b) die Informationen unverzüglich in seinem Register verzeichnet.

Dass dieses Verzeichnen von Informationen der (vorherigen) Anmeldung durch die Gesellschaft bedarf, geht aus Art 28a Abs 7 RL (EU) 2019/1151 allerdings nicht hervor. Im Gegenteil – um Kosten und Verwaltungsaufwand sowie die Verfahrensdauer für die Gesellschaften zu senken, soll im Anwendungsbereich der Richtlinie im Bereich des Gesellschaftsrechts der Grundsatz der einmaligen Erfassung angewendet werden. Die Anwendung dieses Grundsatzes der einmaligen Erfassung bringt mit sich, dass von den Gesellschaften gerade nicht verlangt wird, den Behörden ein und dieselbe Information mehrmals vorzulegen (Erwägungsgrund 28).

Die Intention einer Ausdehnung der Anmeldepflichten lässt sich aus der RL (EU) 2019/1151 bzw. deren Erwägungsgründen also gerade nicht ableiten.

Auch der österreichische Gesetzgeber ging davon aus, dass die Umsetzung der RL (EU) 2019/1151 durch das GesDiG 2022 zu keiner Ausdehnung der Anmeldepflichten führen würde. So heißt es in den Materialien zum GesDiG 2022 wiederholt und gleichlautend, dass „den […] Vorgaben der Richtlinie […] allerdings bereits durch die geltende österreichische Rechtslage entsprochen [wird], was sich jedoch häufig nicht aus einem einzelnen Gesetz oder gar einer einzelnen Bestimmung, sondern aus dem Zusammenspiel mehrerer Regelungen ergibt“ (2893/A XXVII. GP 10 – Initiativantrag; 1760 BlgNR XXVII. GP 1).

Aus § 37 Abs 3 Z 8 FBG lässt sich eine Erweiterung der Eintragungstatbestände dahingehend, dass inländische Rechtsträger ihre ausländischen Zweigniederlassungen beim inländischen Rechtsträger einzutragen haben, also nicht ableiten. Auch die Anmeldepflicht nach § 3 Abs 1 Z 6 FBG erfasst weiterhin nur inländische Zweigniederlassungen. Die ungarische Zweigniederlassung der öGmbH ist bei der inländischen Hauptniederlassung der öGmbH daher nicht im Firmenbuch anzumelden.

Wir beraten Sie gerne

Bei nationalen und grenzüberschreitenden Umgründungen unterstützen wir Sie umfassend und bieten durch unsere enge Kooperation mit den Bereichen Tax und Advisory eine ganzheitliche Beratungsleistung.

Kontakt

Wir bieten als Full-Service Kanzlei eine professionelle Rechtsberatung in sämtlichen Bereichen des Wirtschaftsrechts.