Wien soll bis Ende des Jahres mit der Bauordnungsnovelle 2023 eine neue Bauordnung bekommen, mit welcher den Herausforderungen des Klimaschutzes und damit zusammenhängender gesellschaftlicher Entwicklungen begegnet werden soll. Insbesondere die Themen Einschränkung der touristischen Kurzzeitvermietung sowie Unterschutzstellung des Altbaus haben bereits im Vorfeld medial für Diskussionen gesorgt.

Nach mehreren lediglich kleinen Novellen wird die Wiener Bauordnung auf Basis der Bauordnungsnovelle 2023, welche am 23.11.2023 im Wiener Landtag beschlossen werden soll, nunmehr umfangreich geändert. Zu den Eckpunkten der Gesetzesänderung zählen:

  • die Zurückdrängung der Kurzzeitvermietung,
  • der Altbauschutz,
  • der Ausbau von Photovoltaik,
  • die Begrünung und Entsiegelung, sowie
  • die Reform der Stellplatzverpflichtung (mittels Änderung des Wiener Garagengesetzes).

Nachfolgend findet sich ein kurzer Überblick über die wichtigsten Änderungen.

Touristische Kurzzeitvermietung

In Wien wurde die Möglichkeit zur Kurzzeitvermietung schon mit der Novelle der Wiener Bauordnung 2021 eingeschränkt. Nun soll es zu weiteren Verschärfungen kommen. Der Gesetzgeber möchte dadurch sicherstellen, dass dem Wohnungsmarkt für die Wiener Bevölkerung nicht in noch größerem Ausmaß Wohnungen entzogen werden. Zwar wird deren Kurzzeitvermietung künftig nicht generell verboten, bestimmte Widmungskategorien werden aber von dieser Möglichkeit ausgeschlossen.

Generell und klarstellend wird festgehalten, dass die gewerbliche Nutzung für kurzfristige Beherbergungszwecke keine Tätigkeit darstellt, die üblicherweise in einer Wohnung ausgeübt wird.

Zunächst normiert die Bauordnungsnovelle 2023 eine allgemeine Beschränkung der vorübergehenden kurzzeitigen Vermietung auf maximal 90 Tage pro Kalenderjahr. Eine über diese Zeitspanne hinausgehende Vermietung ist ab dem 01.07.2024 nur noch mit einer Ausnahmebewilligung zulässig. Allerdings kommt es auch bei erteilter Ausnahmebewilligung zu erheblichen Einschränkungen gegenüber dem Ist-Stand. Die Ausnahmebewilligung wird für höchstens fünf Jahre und nur dann erteilt, wenn die folgenden Voraussetzungen vorliegen:

  • die Wohnung darf sich nicht in einer Wohnzone, einem Grünland oder Kleingartengebiet befinden,
  • für die Errichtung der Wohnung dürfen keine Wohnbaufördermittel in Anspruch genommen worden sein,
  • die Mehrzahl der Wohnungen im Gebäude muss weiterhin für Wohnzwecke zur Verfügung stehen
  • es dürfen dadurch nicht mehr als 50% der Nutzungseinheiten (d.h. der selbständig nutzbaren Teile des Gebäudes, daher Wohnungen, Zimmer- oder Betriebseinheiten) für kurzfristige Beherbergungszwecke dienen, und
  • es muss die schriftliche Zustimmung aller (Mit-)Eigentümer vorliegen.

Kritik:

Durch das Zustimmungserfordernis der (Mit-)Eigentümer soll sichergestellt werden, dass Einvernehmen dahingehend besteht, für welche Wohnungen innerhalb des Gebäudes eine Ausnahmebewilligung beantragt werden soll. In der Praxis ist eine solche Zustimmung in den meisten Fällen jedoch illusorisch. Eine Einigung von Wohnungseigentümern darauf, ob und welche Wohnungen touristisch vermietet werden dürfen, wird kaum erzielt werden können. Insbesondere erschwert das durch die 50%-Regelung eingeführte first-come-first-serve Prinzip eine solche Einigung. Sofern mehrere (Mit-)Eigentümer Interesse bekunden, ist eine Pattsituation wohl vorprogrammiert.

Auch für Alleineigentümer einer Liegenschaft kommt es durch diese Neuregelung zu Einschränkungen. In diesem Fall fällt zwar das (grundsätzlich problematische) Zustimmungserfordernis weg; jedoch gilt auch hier die 50%-Regelung. Es ist daher durchaus verständlich, dass gerade in diesem Fall die neuen Einschränkungen als direkter Eingriff in das Eigentumsrecht kritisiert werden.

Gewerbliche Nutzung von Wohnungen

Zwecks Verhinderung der Zweckentfremdung von Wohnraum kommt es weiters zu einer Verschärfung bei der Gewährung von Ausnahmebewilligungen zur Nutzung einer Wohnung für gewerbliche Zwecke. Eine Ausnahme ist bereits auf Basis der aktuellen gesetzlichen Bestimmungen zulässig, sofern nicht mehr als 20% der Nutzfläche eines Hauses gewerblich genutzt werden. Künftig müssen aber bei dieser Ermittlung der Nutzflächen neben dem Erdgeschoss auch Kellergeschosse unberücksichtigt bleiben.

Eine Ausnahme kann – wie bisher – auch erwirkt werden, wenn Ersatzwohnraum in räumlicher Nähe geschaffen wird. Die Bauordnungsnovelle 2023 verschärft die Ausnahmevoraussetzungen nun aber dahingehend, dass

  • sich dieser neu geschaffene Wohnraum künftig in einer Wohnzone und im gleichen Bezirk wie das von der gewerblichen Nutzung betroffene Objekt befinden muss, und
  • der Ersatzwohnraum hinsichtlich Wohnungsgröße, Ausstattung und durchschnittlich fiktiv erzielbarer Miete gleichwertig sein muss.
    Dadurch soll eine unzureichende Substituierung verhindert werden.

Kritik:

Die Voraussetzung der Schaffung von Ersatzwohnraum führt, insbesondere hinsichtlich der Gleichwertigkeit, zu Rechtsunsicherheit. Zudem könnte diese Bestimmung dazu führen, dass die Schaffung von Ersatzwohnraum im Neubau für aufgelassene Wohnungen im Altbau nahezu unmöglich gemacht wird, da aufgrund des MRG unterschiedliche Regelungen hinsichtlich der erzielbaren Miete bestehen und diese Paramater sohin schwer vergleichbar sind. Gutachterliche Stellungnahmen zur Gleichwertigkeit erhöhen wiederum die Kosten.

Altbauschutz

Ein weiterer Schwerpunkt der Bauordnungsnovelle 2023 ist der Schutz von Altbauten. Der Abriss von Gründerzeithäusern in Wien ist bereits seit Langem ein vieldiskutiertes Thema. Nun erhöht die Bauordnungsnovelle 2023 den Schutz dieser Gebäude erheblich:

  • Künftig sind Aufwendungen, die durch eine schuldhafte Vernachlässigung der Erhaltungspflicht entstehen, bei der wirtschaftlichen Beurteilung der Abbruchreife außer Acht zu lassen. Die Vernachlässigung der Erhaltungspflicht erstreckt sich auch auf den Rechtsnachfolger, wenn dieser von der schuldhaften Vernachlässigung Kenntnis hatte oder bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis haben musste.
  • Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit der Instandsetzung eines Gebäudes sind Förderungen von öffentlichen Stellen sowie wirtschaftliche bzw. ertragssteigernde Änderungen und Optimierungen am Gebäude (Ertragsoptimierungspotentiale) in die Berechnung miteinzubeziehen. Unter Letztere fallen etwa Baumaßnahmen, die im konkreten Fall zwar einen wirtschaftlichen Aufwand bedeuten, aber gleichzeitig langfristig zu einer Ertragssteigerung führen (zB Verbesserungen der Ausstattungskategorie, Ausbau des Dachbodens).
  • Weiters sollen Transparenz und Unabhängigkeit bei geplanten Abrissvorhaben dadurch gewährleistet werden, dass die Gutachten zur Abbruchreife in Zukunft durch die Behörde selbst in Auftrag gegeben und nicht wie bisher vom Antragsteller beigebracht werden.
  • Ferner soll es auch keine Neubaubewilligungen ohne Vorliegen von erforderlichen Abbruchbewilligungen mehr geben. Abbrüche sind weiters aufgeschoben, solange noch etwaige Rechtsmittel offen sind.

Zum Schutz von Altbauten ist auch die Einführung eines „Gebäudepickerls“ vorgesehen. In diesem sollen etwa Gebrechen bzw die Pläne zu deren Behebung verzeichnet werden.

Kritik:

Auch wenn der Erhalt des Altbaus wünschenswert ist, darf nicht verkannt werden, dass sich die Eigentümer der betroffenen Gebäude mit zahlreichen Schwierigkeiten wie etwa den Anforderungen nach der EU-Taxonomie sowie den niedrigen (Richtwert-)Mietzinsen konfrontiert sehen.

Da der Rechtsnachfolger künftig auch die Vernachlässigung der Erhaltungspflicht gegen sich gelten lassen muss, wird diese Bestimmung im Ergebnis dazu führen, dass die Sorgfaltspflicht des Erwerbers dahingehend verstärkt ist, dass eine (technische) Due Diligence durchzuführen ist.

Der Umstand, dass Förderungen bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit als ertragssteigernd zu berücksichtigen sind, wird in der Praxis wohl dazu führen, dass (uU unter Zuziehung externer Experten) zu prüfen sein wird, ob und welche Förderungen in Betracht kommen könnten. Eine solche Prüfung ist für die Eigentümer mit zusätzliche Kosten verbunden.

In Hinblick auf das „Gebäudepickerl“ können sich spannende Haftungsfragen stellen.

Im Zeichen von Nachhaltigkeit und Klimaschutz

Im Bereich Nachhaltigkeit und Klimaschutz fokussiert sich die Bauordnungsnovelle 2023 auf vier Themenbereiche:

  • Dekarbonisierung,
  • Photovoltaik,
  • Entsiegelung sowie
  • Fassaden- und Dachbegrünung.

Unter Dekarbonisierung versteht man den Umstieg von fossilen Brennstoffen wie Kohle, Erdgas oder Öl auf kohlenstofffreie und erneuerbare Energiequellen.

  • In diesem Sinne soll etwa der Einbau von Erdwärmesonden (außerhalb von Grünland-Schutzgebieten und Bausperren) und – unter gewissen Voraussetzungen – die Errichtung von Photovoltaikanlagen bewilligungsfrei werden.
  • Auch die Möglichkeit zur Abweichung von der gesetzlich vorgeschriebenen Gebäudehöhe sowie den Gebäudeumrissen im unbedingt erforderlichen Ausmaß soll zur Dekarbonisierung beitragen.
  • Weiters sind Ausnahmen vom Bebauungsplan vorgesehen, etwa für Nebengebäude, die ausschließlich der Unterbringung der technischen Infrastruktur von hocheffizienten alternativen Systemen (zB dezentrale Energieversorgungssysteme auf Grundlage von Energie aus erneuerbaren Quellen, Fernwärme, Wärmepumpen) dienen.

Ferner soll die seit 2020 geltende Verpflichtung zur Errichtung von Photovoltaikanlagen für Neubauten von Wohngebäuden erweitert werden. Zudem entfällt künftig die Ausnahmebestimmung für Wohngebäude der Bauklasse I, Kleingartenhäuser und Kleingartenwohnhäuser. Ist die Errichtung einer Photovoltaikanlage aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht möglich bzw zweckmäßig oder steht dem der Ortsbildschutz entgegen, so besteht eine verpflichtende Schaffung von (grundbücherlich sichergestellten) Ersatzflächen auf einem oder mehreren geeigneten Grundstücken in Wien.

Die Bauordnungsnovelle 2023 schafft zudem Erleichterungen für Fassaden- und Dachbegrünungen:

  • Es wird etwa die Möglichkeit geschaffen, mit Rank- oder Kletterhilfen sowie anderen technischen Einrichtungen, die für eine Fassadenbegrünung notwendig sind, Fluchtlinien bzw Gebäudehöhe zu überschreiten. Darüber hinaus werden Rankgerüste für Kletterpflanzen im Bereich der ersten drei Geschosse außerhalb von Schutzzonen gänzlich bewilligungsfrei.
  • Ein Beitrag zur Entsiegelung soll durch die neu eingeführte gesetzliche Definition der „gärtnerischen Ausgestaltung“ geleistet werden, wonach zwei Drittel dieser Flächen unversiegelt bleiben und eine bodengebundene Begrünung und Bepflanzung aufweisen müssen. Ebenso hat eine weitere Reduktion der ober- und unterirdischen Versiegelung bzw. Bebauung zu erfolgen und ist die Entsiegelung von Innenhöfen sowie eine Ausweitung der Baumpflanzverpflichtung normiert.

Anpassung der Stellplatzverpflichtung

Inhalt der Bauordnungsnovelle 2023 ist auch eine Änderung des Wiener Garagengesetzes:

  • Es wird vom System der einheitlichen Stellplatzverpflichtung zu Gunsten eines Zonenmodells nach Züricher Vorbild abgegangen. Das Wiener Stadtgebiet wird auf Basis der Erreichbarkeit der Liegenschaft mit öffentlichen Verkehrsmitteln in insgesamt drei Zonen gegliedert. Der Umfang der Stellplatzverpflichtung ist künftig davon abhängig in welcher Zone sich die Liegenschaft befindet. So müssen künftig etwa in Zone 1, welche sehr gut an das öffentliche Verkehrsnetz angebundene Regionen umfasst, nur noch 70 Prozent der Pflichtstellplätze laut Wiener Garagengesetz geschaffen werden. Die so ermittelte Anzahl der zu schaffenden Stellplätze kann durch die Errichtung von Ladepunkten für Elektrofahrzeuge sowie Car-Sharing-Angebote freiwillig reduziert werden. Dadurch soll ein Anreiz für den Umstieg auf Fahrräder und E-Mobilität gesetzt werden.
  • Beim Neubau von Wohngebäuden, die über mehr als zehn Stellplätze verfügen, soll zukünftig für jeden zehnten Stellplatz mindestens ein E-Ladepunkt errichtet werden. Dies gilt auch bei größeren Renovierungen von solchen Wohngebäuden sofern die Renovierungsmaßnahmen einen dieser Stellplätze oder die elektrische Infrastruktur des Gebäudes umfassen. Bei bestehenden Nicht-Wohngebäuden, die über mehr als 20 Stellplätze verfügen, ist bis zum 31.12.2025 für jeden zehnten Stellplatz mindestens ein E-Ladepunkt zu errichten. Zudem kommt die Verpflichtung für jeden fünften Stellplatz einen großkronigen Baum zu pflanzen.
  • Neu ist außerdem die Verpflichtung bei der Schaffung von Wohnungen für je 30 m² Wohnnutzfläche einen Fahrradabstellplatz zu errichten. Für Fahrradabstellplätze werden zudem gewisse Qualitätskriterien normiert.

Kritik:

Eine Differenzierung nach Stadtzonen bei der Stellplatzverpflichtung ist uE durchaus sinnvoll, um unterschiedlichen Gegebenheiten in der Stadt Rechnung tragen zu können. Grundsätzlich ist auch der Anreiz für die Anschaffung von Elektrofahrzeugen aus umwelttechnischer Sicht zu begrüßen, ob die damit einhergehende Möglichkeit zur Reduktion der Zahl von Stellplätzen aber sinnvoll ist, bleibt in Anbetracht der ohnehin angespannten Parkplatzsituation in der Wiener Innenstadt zumindest fraglich.

Fazit

Der Gesetzgeber sieht die neue Wiener Bauordnung mit den Schwerpunkten leistbares Wohnen sowie Klimaschutz als zukunftsweisend. In der Bau- und Immobilienbrauche ist die vollumfängliche Zufriedenheit jedoch ausgeblieben. Ob mit der Novellierung die gesetzten Schwerpunktbereiche tatsächlich verwirklicht werden können, wird sich wohl erst nach dem Inkrafttreten der Bauordnungsnovelle 2023 zeigen.

KPMG Law berät Sie gerne umfassend zu allen mit der Bauordnungsnovelle 2023 in Zusammenhang stehenden rechtlichen Fragestellungen.

ANSPRECHPARTNER

Stefan Arnold

Stefan Arnold

Stefanie Heimel