Der neue ElWG-Entwurf sieht vor, dass Netzbetreiber ohne vertragliche Vereinbarungen oder Entschädigungen die Leistung bzw. Einspeisung von Elektrizität von Wind- und PV-Anlagen künftig begrenzen können. Dieser Regelungsentwurf wirft nicht nur Fragen zur Unionsrechtskonformität auf, sondern würde nach derzeitigem Stand zahlreiche rechtliche Unsicherheiten für die Finanzierung und Realisierung von erneuerbaren Energieprojekten mit sich bringen.

Hintergrund der Regelung, Engpassmanagement & Redispatch

Um ein ordnungsgemäßes Funktionieren der Netze sicherzustellen, bedarf es des Instruments des Engpassmanagements. Der ElWG-Entwurf sieht hierfür Maßnahmen vor, die unter Beachtung der Netz- und Versorgungssicherheit darauf abzielen, Engpässe im Übertragungsnetz zu vermeiden. In diesem Zusammenhang wird im Europäischen Recht der Begriff „Redispatch“ verwendet. Redispatch bezeichnet die nachträgliche Allokation von verfügbarer Kraftwerksleistung durch den Netzbetreiber aufgrund von Engpässen im Netz. Engpässe im Netz können beispielsweise dazu führen, dass Windkraftanlagen in der Region A, die eine sehr hohe, über den lokalen Bedarf hinausgehende Strommenge ins Netz einspeisen können, ihren Strom nicht in die Region B transferieren können, obwohl dort der Strom benötigt wird. Folglich müssen diese Windkraftanlagen abgeschaltet und somit die Stromerzeugung in Region A eingestellt werden. In der Region B müssen die vorhandenen Kraftwerke hochgefahren werden

Aktuelle Regelung

Im derzeit geltenden ElWOG 2010 findet sich in § 23 Abs 2 Z 5 eine Grundsatzbestimmung zur Regelung von Maßnahmen zur Vermeidung von Engpässen im Übertragungsnetz. Gemäß dieser Bestimmung schließen die Regelzonenführer in Abstimmung mit den Verteilernetzbetreibern mit den Erzeugern oder Entnehmern Verträge über die Verpflichtung zur Erhöhung oder Einschränkung der Erzeugung oder des Verbrauchs gegen Ersatz der wirtschaftlichen Nachteile und Kosten ab. Es ist also gesetzlich vorgesehen und erforderlich, dass eine vertragliche Vereinbarung über Engpassmaßnahmen sowie den Ausgleich der entstehenden wirtschaftlichen Nachteile getroffen wird. Darüber hinaus schließen Verteilernetzbetreiber mit Windparkbetreibern bereits jetzt aufgrund drohender bzw. temporär möglicher Überlastung von Netzen Vereinbarungen über den Netzzugang ab, bei welchen in den ersten Jahren kein vollständiger Netzzugang zugesagt wird.

Geplante Regelung im ElWG-Entwurf

94a Abs 1 des ElWG-Entwurfs sieht vor, dass Netzbetreiber im Falle eines neuen oder geänderten Netzzugangs einer Windkraftanlage (oder nach Zeitablauf des flexiblen Netzzugangs gem § 96 Abs 2 ElWG) einseitig das gesetzliche Recht haben, die netzwirksame Leistung dauerhaft oder dynamisch zu begrenzen („Spitzenkappung“). Für diese Spitzenkappung sind folgende Grenzwerte vorgesehen: Das Ausmaß der Spitzenkappung darf einerseits 2 Prozent der von einer mit Verordnung festzulegenden Referenzanlage mit vollem Netzzugang erzeugten Jahresenergiemenge und andererseits 15 Prozent der netzwirksamen Leistung der Referenzanlage nicht überschreiten.

Gemäß § 94a Abs 2 ElWG darf der Netzbetreiber auch bei neuen oder geänderten Netzzugängen für PV-Anlagen (oder nach Zeitablauf des flexiblen Netzzugangs gem § 96 Abs 2 ElWG) die netzwirksame Leistung dauerhaft oder dynamisch begrenzen, wobei die netzwirksame Leistung in diesem Fall 60 Prozent der Modulspitzenleistung nicht unterschreiten darf. Für PV-Anlagen gilt zudem das Maximierungsgebot gem § 94a Abs 4 ElWG. Demnach hat der Netzbetreiber im Fall der dynamischen Vorgabe der netzwirksamen Leistung die Leistungsvorgabe so auszugestalten, dass nach Maßgabe der erwarteten Netzsituation die bestehenden Netzkapazitäten maximal genutzt werden.

Der ElWG-Entwurf sieht daher nicht mehr das Gebot einer vertraglichen Vereinbarung vor. Stattdessen räumt er dem Netzbetreiber ex lege das Recht ein, die netzwirksame Leistung zu begrenzen. Auch ein Ausgleich für wirtschaftliche Nachteile lässt sich der Regelung nicht entnehmen.

Bedenken um Unionsrechtskonformität

Aus den Erläuterungen des ElWG-Entwurfs geht hervor, dass mit dieser Bestimmung Artikel 6a der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie umgesetzt werden soll. In der unionsrechtlichen Norm sind jedoch Vorgaben für „flexible Netzanschlussverträge“ vorgesehen. Es ist daher fraglich, wie sich dies mit der gesetzlichen Einräumung eines einseitigen Rechts des Netzbetreibers, die Leistung zu begrenzen, vereinbaren lässt. Darüber hinaus könnte die mögliche dauerhafte und entschädigungslose Spitzenkappung für Windkraftanlagen auch hinsichtlich des EU- Diskriminierungsverbots und des Vorrangs erneuerbarer Energien unionsrechtswidrig sein. Vor diesem rechtlichen Hintergrund muss daher vorerst abgewartet werden, ob und inwieweit der nationale Gesetzesentwurf die im Gesetzgebungsverfahren stark kritisierte Regelung einer „Spitzenkappung“ noch abändern wird.

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