Legal Insights
Solidarhaftung für Mutter- und Großmuttergesellschaft wegen kostenloser Wohnungsnutzung
15. April 2025
In einer weiteren Entscheidung vom 06.11.2024 (6 Ob 98/24s) entscheidet der OGH über die Solidarhaftung von Großmutter- und Muttergesellschaft bei einem Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften und stellt erstmals fest, dass bei einer unzulässigen Einlagenrückgewähr aus dem Vermögen einer Enkelgesellschaft an die Großmuttergesellschaft auch die zwischengeschaltete Muttergesellschaft neben der Großmuttergesellschaft solidarisch für den Rückersatz haftet.
Inhalt:
Sachverhalt
Die S GmbH errichtete eine Wohnhausanlage. Die Gesellschaft gehörte je zur Hälfte der A GmbH und der B GmbH. R war Alleingesellschafter und Geschäftsführer der A GmbH und damit mittelbar (über die A GmbH) zu 50 % an der S GmbH beteiligt. Er leitete die S GmbH gemeinsam mit einem zweiten Geschäftsführer, beide waren kollektiv vertretungsbefugt. Ende 2013 zog R in eine der von der S GmbH errichteten Wohnungen ein, eine weitere wurde vom Sohn seiner Lebensgefährtin genutzt – beide Nutzungen erfolgten ohne vorherigen Kaufvertrag. Eine rückdatierte Optionsvereinbarung über den Erwerb der Wohnungen wurde nur von R unterzeichnet. Die Unterschrift des zweiten Geschäftsführers erfolgte aufgrund von Unstimmigkeiten zwischen den Geschäftsführern erst später, wodurch der tatsächliche Kauf der bereits genutzten Wohnungen erst Mitte 2014 erfolgen konnte.
Im Jahr 2020 klagte die S GmbH, vertreten durch einen Kollisionskurator, R und die A GmbH auf einen niedrigen vierstelligen Betrag für die unberechtigte Nutzung der Wohnungen vor dem Erwerb aufgrund verbotener Einlagenrückgewähr.
Für die Beurteilung dieses Falls war laut OGH entscheidend, dass R nicht nur Alleingesellschafter, sondern auch Geschäftsführer der zwischengeschalteten A GmbH war. Dadurch war er nicht nur mittelbar an der S GmbH beteiligt, sondern hatte auch vollständige Kontrolle über die A GmbH. Aufgrund seiner Position wertet der OGH die Zuwendung an die Großmutter als eine über die Mutter vermittelte Leistung. Die unentgeltliche Nutzung der Wohnungen durch R wurde daher als wirtschaftlich gleichwertig mit einer unmittelbaren Zuwendung an die Muttergesellschaft gewertet.
Da keine Einigung über den Kauf der Wohnungen vorlag, war objektiv ebenfalls erkennbar, dass die unentgeltliche Nutzung der Wohnungen durch R und den Sohn seiner Lebensgefährtin gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstieß. R hätte als Geschäftsführer der A GmbH die unentgeltliche Nutzung nicht zulassen dürfen. Der OGH bejaht daher die Solidarhaftung der dazwischengeschalteten Mutter (A GmbH) mit der Großmutter (konkret: der natürlichen Person R).
Fazit und Bedeutung für die Praxis
Die Begründung des OGH kann durchaus kritisch gesehen werden. Jene Lehrmeinungen, die sich mit einem solchen hier vorliegenden „Up-Stream-Fall“ konkret beschäftigt haben, verneinen die Solidarhaftung unseres Erachtens zurecht. Die Argumente, die gegen das Ergebnis des OGH sprechen, nämlich, dass die zwischengeschaltete Gesellschaft nicht haften sollte, wenn sie keinen Nutzen aus dem Handeln ihres Gesellschafters gezogen hat, wurden vom OGH ohne Begründung nicht weiter behandelt. Aus dem Begründung des OGH könnte auch geschlossen werden, dass die Muttergesellschaft dann nicht gehaftet hätte, wenn ein Fremdgeschäftsführer bestellt gewesen wäre (darauf kann es freilich nicht ankommen).
Ebenfalls lässt der OGH außer Betracht, dass sich bei einer Solidarhaftung von Großmutter- und Muttergesellschaft der Haftungsfonds der Gläubiger der Muttergesellschaft schmälert, wenn die (von der Wohnungsnutzung nicht begünstigte) Mutter den Rückersatzanspruch an die Tochter zu leisten hat oder es zum internen Regress kommt. Im Ergebnis sollte die Muttergesellschaft, sollte sie von der Enkelgesellschaft zur Haftung herangezogen werden, im konkreten Fall vielmehr einen vollen Regressanspruch gegen ihren Gesellschafter haben (anders könnte man zB argumentieren, wenn die Wohnung der Enkelgesellschaft von der Muttergesellschaft als Dienstwohnung für ihren Geschäftsführer genutzt worden wäre).
Die gegenständliche Entscheidung weist eine gewisse Einzelfallbezogenheit auf. Ob und unter welchen Umständen die direkte Gesellschafterin der solidarischen Haftung „entkommen“ könnte, bleibt künftigen Entscheidungen des OGH in ähnlich gelagerten Fällen vorbehalten.
Der Fall zeigt einmal mehr, dass Geschäftsführer bei Geschäften mit direkten oder indirekten Gesellschaftern (oder deren verbundenen Gesellschaften) das Prinzip der Fremdüblichkeit einzuhalten haben (will man sich nicht auf das sehr rechtsunsichere Argument der betrieblichen Rechtfertigung verlassen). Für eine Immobiliengesellschaft bedeutet dies, dass das Immobilienvermögen der Gesellschaft von direkten oder indirekten Gesellschaftern nur auf Basis von fremdüblichen Vereinbarungen benutzt oder auch erworben werden kann oder von diesen auch nur zu fremdüblichen Bedingungen verkauft werden kann. Im Falle eines Verstoßes gegen dieses Prinzip ist die Vereinbarung mit (Teil-)Nichtigkeit bedroht, stellt steuerlich eine verdeckte Gewinnausschüttung dar und löst Haftungsansprüche aus. Die direkten und indirekten Gesellschafter können dabei solidarisch zur Haftung herangezogen werden. Es liegt daher auch im erheblichen Interesse der Gläubiger von Immobiliengesellschaften zu prüfen, wie deren Gesellschafter mit Immobilienvermögen der Gesellschaft oder auch Tochter- oder Enkelgesellschaften umgehen und dieses verwalten.
Können Ansprüche aus verbotener Einlagenrückgewähr von direkten bzw indirekten Gesellschaftern nicht mehr erfüllen werden, können auch die Geschäftsführer der Immobiliengesellschaft zur Haftung herangezogen werden und setzen sich, insbesondere bei Gesellschaften mit mehr als einem Gesellschafter, unter Umständen dem Vorwurf der Untreue (§ 153 StGB) aus.
In den allermeisten Fällen lassen sich Verstöße gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften (auch im Immobilienbereich) verhältnismäßig einfach vermeiden, etwa – über die Prüfung durch Rechtsberater hinaus – durch Beiziehung von Transfer-Pricing Experten und Immobilienbewertern.
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