Am 13. August 2021 hat die Begutachtungsfrist betreffend den Ministerialentwurf zur Novelle, mit welcher das Wohnungseigentumsgesetz 2002 geändert werden soll (WEG-Novelle 2022), geendet. Die Beschlussfassung erfolgt voraussichtlich im Herbst und somit soll die WEG-Novelle 2022 mit 1. Jänner 2022 in Kraft treten. Wer allerdings auf eine weitreichende Reform des Wohnungseigentumsrechts gehofft hat, muss vertröstet werden, da es sich bei den Änderungen lediglich um punktuelle Novellierungen handelt.

Zustimmungsfiktion bei privilegierungswürdigen Maßnahmen

Die Novellierung und Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes erfolgt unter dem Gesichtspunkt, den Energiebedarf für Gebäude zu verringern. Entsprechende Maßnahmen wie etwa der Einbau von Photovoltaikanlagen, Vorrichtungen zum Langsamladen (mit maximal 3,7 kW) für Elektrofahrzeuge und das Anbringen von Beschattungsvorrichtungen sollen daher künftig einer vereinfachten Beschlussfassung zugänglich sein. In Hinblick auf Vorrichtungen zum Langsamladen hat bereits der OGH mit seiner Entscheidung 5 Ob 173/19f erste Erleichterungen gebracht, die nunmehr positiviert werden. Für die im novellierten § 16 WEG 2022 explizit genannten Änderungen gilt sodann eine Zustimmungsfiktion. Konkret bedeutet dies, dass die Zustimmung eines Wohnungseigentümers als erteilt gilt, wenn er nicht binnen einer Frist von zwei Monaten nach Zugang der Verständigung über die geplante Änderung ebendieser widerspricht. Trotz Unterlassung eines Widerspruchs soll ein Wohnungseigentümer allerdings nicht gezwungen sein, eine durch die Änderung verursachte wesentliche und dauernde Beeinträchtigung seines Wohnungseigentumsrechts zu dulden. In einem solchen Fall stehen dem Wohnungseigentümer Unterlassungs- und Wiederherstellungsansprüche zu. Was konkret unter einer „wesentlichen und dauernden Beeinträchtigung“ zu verstehen ist, wird sich erst weisen müssen. Der Gesetzgeber geht jedoch grundsätzlich nicht davon aus, dass solche Beeinträchtigungen mit den privilegierten Maßnahmen einhergehen werden.

Allgemein soll der Umstieg auf elektrisch betriebene Fahrzeuge vorangetrieben werden. Der Gesetzgeber bevorzugt dabei Gemeinschaftsanlagen gegenüber Einzelladestationen. Die WEG-Novelle 2022 normiert folglich Rahmenbedingungen dafür, dass Einzelladestationen der späteren Inbetriebnahme einer gemeinsamen Ladestation nicht im Wege stehen. Unter gewissen Voraussetzungen (Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft, gesamtheitlich bessere Versorgung der Liegenschaft) besteht bei Errichtung einer Gemeinschaftsanlage sohin eine Pflicht des Wohnungseigentümers die Nutzung seiner Ladestation zu unterlassen. Um den Fortschritt im Einzelnen jedoch nicht zu beschneiden, soll die Unterlassungspflicht frühestens fünf Jahre nach Errichtung der Einzelladestation eintreten. Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Nutzung der Einzelladestation trotz allfälliger zwischenzeitlich errichteter Gemeinschaftseinlage möglich.

Die WEG-Novelle 2022 rückt weiters auch die bereits seit längerem geplanten behindertengerechten Ausgestaltungen sowie den Einbau von einbruchsicheren Türen in den Fokus, für die künftig ebenfalls die Zustimmungsfiktion des § 16 WEG 2022 gelten soll.

Erleichterungen bei der Willensbildung

Wesentliche Neuerungen sieht die WEG-Novelle 2022 auch in Hinblick auf die Willensbildung in der Eigentümergemeinschaft vor. Neben die bisherige Regelung der Beschlussfassung, dass sich die Mehrheit der Stimmen der Wohnungseigentümer nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile richtet, tritt alternativ eine weitere Möglichkeit, wie ein Beschluss gefasst werden kann: Hierbei ist die Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, welche sich ebenfalls nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile berechnet, erforderlich. Durch diese Änderung soll dem bereits länger bestehenden Umstand, dass viele Wohnungseigentümer kaum Interesse an den Geschehnissen in der Gemeinschaft zeigen (etwa weil es sich um Investitionsobjekte handelt oder eine Vermietung besteht), Rechnung getragen werden. Dies ist insbesondere im Bereich der außerordentlichen Verwaltung von Relevanz, da hier eine Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft unumgänglich ist. Als zusätzliche Hürde normiert § 24 Abs 4 WEG 2022 jedoch, dass diese qualifizierte Mehrheit von zwei Drittel der abgegebenen Stimmen zumindest einem Drittel aller Miteigentumsanteile entsprechen muss. Dadurch soll sichergestellt werden, dass nicht einzelne Wohnungseigentümer allein über das Geschehen entscheiden.

Im Lichte der COVID-19-Einschränkungen wird zukünftig – als weitere Erleichterung bei der Willensbildung – auch die Möglichkeit zur Teilnahme an Eigentümerversammlungen via Videokonferenz bestehen.

Auskunftspflicht des Verwalters und Mindestdotierung der Rücklage

Korrespondierend zu den neuen Beschlussfassungsbestimmungen sollen auch Änderungen bei den Pflichten des Verwalters vorgenommen werden. So ist insbesondere eine Auskunftspflicht des Verwalters hinsichtlich Namen und Zustelladressen der Wohnungseigentümer vorgesehen, um die in der Praxis bestehenden Hürden der Kontaktaufnahme bei der Ausübung von Gestaltungsmöglichkeiten durch einzelne Wohnungseigentümer zu reduzieren.

Das Bestreben, den Energiebedarf für Gebäude zu verringern, zeigt sich ferner in den neuen Bestimmungen zur Bildung einer angemessenen Rücklage. Unter dem Schlagwort „Dekarbonisierung“ sowie unter ausdrücklicher Nennung von Aufwendungen zur thermischen Sanierung und energietechnischen Verbesserungen sieht die WEG-Novelle 2022 eine Mindestdotierung der Rücklage vor, die sich am im Mietrechtsgesetz (MRG) normierten Kategoriebetrag von Wohnungen der Ausstattungskategorie D orientiert. Dieser beträgt gemäß § 15a Abs 3 Z 4 MRG aktuell EUR 0,90 je Quadratmeter der Nutzfläche (wobei zeitnah eine Valorisierung um etwa fünf Prozent bevorsteht). Die Unterschreitung dieses Mindestbetrages ist in bestimmten Ausnahmefällen zulässig.

ANSPRECHPARTNER

Mag. Stefanie Heimel
Rechtsanwältin