Sachverhalt

Die Antragstellerin als gefährdete Partei ist eine 9,99%, die Antragsgegnerin eine 90,01% Gesellschafterin einer österreichischen GmbH.

Im Gesellschaftsvertrag der GmbH wurde festgelegt, dass Beschlüsse über bestimmte Strukturänderungen – etwa Änderungen der Satzung, Umgründungen (Verschmelzung, Spaltung, Veräußerung wesentlicher Teile des Unternehmens, Umwandlung nach dem UmwG, Umwandlung in eine AG oder Kapitalmaßnahmen, die zu einer Verwässerung des Anteils der Antragstellerin führen können) – der Zustimmung der Antragstellerin bedürfen.

Außerdem vereinbarten die Parteien in einem separaten Shareholders‘ Agreement („SHA“), dass Strukturänderungen bzw. Umstrukturierungen nur nach Zustimmung der Antragstellerin vorgenommen werden dürfen. In einer (demonstrativen) Aufzählung wurde festgehalten, dass darunter unter anderem Verschmelzungen, Spaltungen, Veräußerungen oder Verpfändungen von wesentlichen Vermögenswerten und die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft zu verstehen sind.

In einem Nachtrag zum SHA wurde in den Erwägungsgründen die Absicht festgehalten, dass die Antragstellerin in Zukunft 50,01% Gesellschafterin werden sollte, und im Hinblick darauf bereits jetzt eine Gewinnverteilung im Verhältnis 50:50 vereinbart.

Zwei Jahre später wurde eine Generalversammlung anberaumt, in welcher die Antragsgegnerin den Ausschluss der Antragstellerin als Gesellschaftern nach § 1 GesAusG anstrebte.

Daraufhin begehrte die Antragstellerin zur Sicherung ihres Anspruchs auf Unterlassung von Handlungen, die zu ihrem Ausschluss als Gesellschafterin führen würden, der Antragsgegnerin unter anderem vorzuschreiben, die Abstimmung über einen Gesellschafterausschluss in der anberaumten Generalversammlung zu unterlassen.

Entscheidung des OGH

Nach antragsgemäßer Erlassung der einstweiligen Verfügung durch das Erstgericht und Abweisung des Sicherungsantrags durch das Rekursgericht entschied der OGH, dass die beantragte einstweilige Verfügung zu erlassen ist.

Einer drohenden Verletzung des Syndikatsvertrags (auf die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags wurde vom OGH nicht eingegangen) kann mit vorbeugender Unterlassungsklage begegnet werden und dieser Unterlassungsanspruch ist auch durch eine einstweilige Verfügung sicherbar (6 Ob 44/19t; RS0117682).

Der Unterlassungsanspruch war im vorliegenden Fall ausreichend bescheinigt: Vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin und -gegnerin eine künftige Mehrheitsbeteiligung durch die Antragstellerin vorsahen, eine Gewinnverteilung im Verhältnis 50:50 vereinbart hatten, die Aufzählung der zustimmungspflichtigen Strukturänderungen demonstrativ war, Beschlüsse über den Ausschluss eines Gesellschafters nach dem GesAusG in der Rechtspraxis gemeinhin als „strukturändernd“ angesehen werden und es keine Anhaltspunkte gab, dass dies nicht auch im gegenständlichen Syndikatsvertrag der Fall sein sollte, kann nach Ansicht des OGH die Regelung zu den zustimmungspflichtigen Strukturänderungen nur so verstanden werden, dass auch ein Beschluss über den Gesellschafterausschluss der Zustimmung der Antragstellerin bedarf.

Außerdem konnte die Antragstellerin in Entsprechung des § 381 Abs 2 EO darlegen, dass ihr durch den Gesellschafterausschluss ein unwiederbringlicher Schaden drohte und sie daher einen Sicherungsantrag stellen durfte. Auch dass gemäß § 5 Abs 4 GesAusG erst mit Eintragung des Beschlusses über den Gesellschafterausschluss die Anteilsübertragung stattfindet und das Firmenbuchgericht ohnehin nach § 19 FBG vorzugehen und somit das Eintragungsverfahren unterbrechen könnte, beseitigte das Vorliegen eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nicht, zumal die Entscheidung des Firmenbuchgerichts hinsichtlich der Unterbrechung im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts steht und gemäß § 19 Abs 3 FBG auch unanfechtbar ist.

Entsprechend stellte der OGH die einstweilige Verfügung des Erstgerichts wieder her.

Fazit

Nach der Rechtsprechung des OGH sind syndikatsvertragswidrig abgegebene Stimmen (die aber gleichzeitig nicht gesellschaftsvertragswidrig sind) grundsätzlich wirksam und wegen dieser Verletzung (bloß) des Syndikatsvertrags aufgrund der gebotenen objektiven Auslegung von (korporativen Bestandteilen von) Gesellschaftsverträgen auch nicht anfechtbar. In einer älteren Entscheidung (2 Ob 46/97x) wurde aufgrund der ausgeprägten personalistischen Struktur der Gesellschaft die Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen bejaht, die unter Verletzung der Bestimmungen eines omnilateralen Syndikatsvertrags zustande gekommen waren, die nicht gleichzeitig auch Satzungsbestandteile waren. Grundsätzlich sollen Gesellschafter bei syndikatsvertragswidriger Stimmausübung in der Regel aber aber auf Schadenersatzansprüche beschränkt sein, der (vom Gesellschaftsvertrag gedeckte) Beschluss an sich aber nicht anfechtbar. Anfechtbarkeit soll nur dann gegeben sein, wenn die (bloß syndikatsvertraglich, nicht aber gesellschaftsvertraglich festgelegte) verletzte Bestimmung die ohnehin untereinander geltenden Treuepflichten der Gesellschafter konkretisiert.

Auch wenn im vorliegenden Fall eine einstweilige Verfügung wegen Verletzung des SHA erlassen wurde, ist vor dem Hintergrund der oben erwähnten Rechtsprechung besonderes Augenmerk auf die Ausgestaltung jener Beschlussgegenstände zu legen, die der Zustimmung eines (Minderheits-)Gesellschafters bedürfen. Aus Sicht eines Minderheitsgesellschafters sollte – im Hinblick auf die Absicherung der eigenen Position für den Konfliktfall – auch sorgfältig abgewogen werden, welche zustimmungspflichtigen Maßnahmen und Handlungen in den Gesellschaftsvertrag und nicht nur in einen Syndikatsvertrag oder eine Geschäftsordnung aufgenommen werden.

ANSPRECHPARTNERIN

Mag. Stephanie Sauer