Sachverhalt

Herr A (der spätere Erstbeklagte) war in der Immobilienbranche tätig und Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH (der späteren Zweitbeklagten), deren Unternehmensgegenstand Beteiligungsverwaltung und die Beteiligung an Immobilienprojekten einschließlich Erwerb, Entwicklung und Veräußerung von Immobilien war.

Herr A und Herr B kamen überein, künftige Immobilienprojekte über eine neu gegründete GmbH (die spätere Klägerin) abzuwickeln, an denen Herr A und Herr B beteiligt waren. Alleiniger (rechtlicher) Gesellschafter und Geschäftsführer der neu gegründeten GmbH war zunächst Herr A, der jedoch 50 Prozent der Geschäftsanteile als Treuhänder für Herrn B hielt. Bis zum klagsgegenständlichen Geschäft wurden in der Folge neue Immobilienprojekte durch Zusammenwirken von Herrn A und Herrn B von der „gemeinsamen“ GmbH durchgeführt.

Nach etwa zwei Jahren erfuhr Herr A durch einen Makler von einer zum Verkauf stehenden Liegenschaft. Da hohes Interesse auch anderer Personen daran bestünde, besichtigte er die Liegenschaft noch am selben Tag. Wenige Tage später erhielt ein Mitarbeiter der Klägerin von einem anderen Maklerunternehmen die Information über den möglichen Ankauf der Liegenschaft. In der Folge wurde von Mitarbeiter:innen der Klägerin im Hinblick auf einen allfälligen Erwerb eine Due Dilligence-Prüfung durchgeführt. Parallel dazu verfasste Herr A (i) ein Kaufanbot für die Liegenschaft, wobei angeführt war, dass entweder die Zweitbeklagte oder eine noch zu gründende Projektgesellschaft die Käuferin der Liegenschaft wäre, und (ii) organisierte Herr A eine Bankfinanzierung. Gleichzeitig unterfertigten Herr A und Herr B eine Auflösungsvereinbarung zur Trennung der Treuhandschaft und Herr B wurde durch Annahme eines Abtretungsanbots von Herrn A (unmittelbar) 50 prozentiger-Gesellschafter der Klägerin. Schließlich erwarb die Zweitbeklagte die Liegenschaft.

Herr A informierte Herrn B nicht über den Ankauf der Liegenschaft; Herr B erlangte erstmals Kenntnis vom Sachverhalt nach Auflösung des Treuhandverhältnisses bzw von der Eintragung der Zweitbeklagten in das Grundbuch erst nach Erwerb des Geschäftsanteils an der Klägerin. Ein Monat später erfuhr er zufällig davon, dass Herr A plante, die ursprünglich um EUR 2.500.000 erworbene Liegenschaft um EUR 3.900.000 weiterzuverkaufen.

Die Klägerin begehrte daraufhin von den Beklagten (Herrn A und dessen GmbH) die lastenfreie Übertragung und Übereignung der Liegenschaft Zug um Zug gegen Zahlung des von der Zweitbeklagten bezahlten Kaufpreises von EUR 2.500.000, in eventu Schadenersatz in Höhe von EUR 500.000 und stützte sich auf einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot des § 24 GmbHG, gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr des § 82 GmbHG sowie gegen § 1 UWG. Zur Sicherung ihres Übereignungsanspruchs beantragte sie, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung die Veräußerung und Belastung der Liegenschaft zu verbieten und das Veräußerungs- und Belastungsverbot im Grundbuch anzumerken.

Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag statt und erließ die beantragte einstweilige Verfügung bzw hielt sie auch nach einem Widerspruchsverfahren aufrecht. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Dem dagegen erhobenen Revisionsrekurs der Beklagten wurde vom OGH stattgegeben bzw das Sicherungsbegehren abgewiesen. Es liege weder ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot vor noch gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr und dementsprechend auch kein unlauterer Rechtsbruch gemäß § 1 UWG.

Aus der Begründung des OGH

Die Kernaussagen des OGH zum Themenbereich Einlagenrückgewähr lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • § 82 Abs 1 GmbHG bzw § 52 AktG statuieren nicht nur einen Schutz der Kapitaleinlagen, sondern eine umfassende Vermögensbindung. Unzulässig ist jeder Vermögenstransfer von der Gesellschaft zum Gesellschafter in Vertragsform oder auf andere Weise, die den Gesellschafter aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses zu Lasten des gemeinsamen Sondervermögens bevorteilt, ausgenommen solche in Erfüllung des Dividendenanspruchs (Gewinnverwendung), sonstiger gesetzlich zugelassener Ausnahmefälle und Leistungen auf der Grundlage fremdüblicher Austauschgeschäfte.
  • Wenngleich Adressat des Verbots der Einlagenrückgewähr grundsätzlich (ehemalige) Gesellschafter der Gesellschaft sind, können auch Leistungen an Dritte gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßen. Leistungen an Dritte sind einem Gesellschafter zuzurechnen, wenn die Leistung an den Dritten zugleich eine Leistung an den Gesellschafter darstellt. Darunter fallen jedenfalls Leistungen an Dritte, die vom wirtschaftlichen Ergebnis her gesehen dem Gesellschafter zugutekommen. Eine Vermögensverschiebung zulasten der Klägerin an die Zweitbeklagte (die nie Gesellschafterin der Klägerin war) wäre daher grundsätzlich vom Verbot der Einlagenrückgewähr umfasst.
  • Auch die (unentgeltliche) Überlassung von „Geschäftschancen“ kann gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßen. Dazu muss sich die Erwerbschance aber zumindest soweit verdichtet haben, dass ihr ein Marktwert zukommt, welches bedeutet, dass ein Dritter für die Übertragung der „Geschäftschance“ ein Entgelt zahlen würde. Ist nicht einmal dieses Kriterium erfüllt, kann jedenfalls nicht von einem geschützten Vermögenswert der Gesellschaft gesprochen werden.
  • Nicht ausreichend ist hingegen der bloße Umstand, dass die Gesellschaft im Hinblick auf die Erwerbschance bereits Aufwendungen getätigt hat, die nun frustriert sind. Die unzulässige Einlagenrückgewähr könnte in einem solchen Fall allenfalls in der Ersparnis dieser Aufwendungen durch den Gesellschafter liegen.

Zum behaupteten Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot wird in der Entscheidung darauf verwiesen, dass (i) der geschäftsführende Alleingesellschafter einer GmbH keinem Wettbewerbsverbot unterliegt, weil in einem solchen Fall ein von den Interessen des Alleingesellschafter-Geschäftsführers abweichendes Gesellschaftsinteresse, das durch § 24 Abs 1 GmbHG geschützt werden soll, grundsätzlich nicht besteht, und (ii) nach dem Trennungsprinzip Gesellschaftsbeteiligung und Treuhandverhältnis voneinander zu trennen sind, sodass der Treugeber keine aus seiner gesellschafterähnlichen Stellung abgeleitete Teilrechtsposition innerhalb der Gesellschaft hat. Eine Verletzung der Pflichten aus dem Treuhandverhältnis hätte vom Treugeber gegenüber dem Treuhänder geltend gemacht werden müssen; dies ist jedoch nicht erfolgt.

Anmerkungen

Schon bisher wurde in der Literatur – in unterschiedlicher Ausprägung bzw unter unterschiedlichen Voraussetzungen – vertreten, auch die Überlassung von Geschäftschancen einer Gesellschaft an ihren Gesellschafter könne gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßen. Eine eindeutige Aussage des OGH gab es trotz Tendenzen in diese Richtung dazu bisher nicht.

Mit der Entscheidung 6 Ob 71/21s erfolgte die – begrüßenswerte – Klarstellung, dass nicht jede (noch so abstrakte) „Geschäftschance“ einer Gesellschaft einen durch das Verbot der Einlagenrückgewähr geschützten Vermögenswert der Gesellschaft darstellt: Unstrittig gibt es kein Gebot an Gesellschafter, Geschäfte ab Gründung einer (Tochter-)Gesellschaft ausschließlich über diese abzuwickeln. Dem Gesellschafter einer österreichischen Kapitalgesellschaft ist daher eine eigene geschäftliche Tätigkeit aufgrund seiner Gesellschafterstellung nicht per se untersagt. Andernfalls wären Projektgesellschaften ebenso problematisch wie die konzerninterne Steuerung von Aufgaben.

Wann ein „geschützter Vermögenswert“ iSd OGH vorliegt, lässt sich wohl durch Rückgriff auf das allgemeine Schadenersatzrecht konkretisieren: Im allgemeinen Schadenersatzrecht werden positiver (tatsächlicher) Schaden und entgangener Gewinn (Verhinderung einer Vermögensvermehrung durch Vernichtung einer Erwerbschance) unterschieden. Entgangener Gewinn ist grob gesprochen nur zu ersetzen, wenn der Geschädigte schon eine rechtlich gesicherte Position hat; nach Rechtsprechung war dem schon bisher der Fall gleichzuhalten, dass eine Gewinnchance im Verkehr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann. Mit anderen Worten: Erst wenn in eine rechtlich (sehr) sichere Erwerbschance eingegriffen wird, ist das Vorliegen eines ersatzfähigen Schadens (und damit aber auch das Vorliegen eines geschützten Vermögenswerts) zu bejahen. Im Übrigen ist entgangener Gewinn nicht zu ersetzen.

Wenn der OGH nun verlangt, die Erwerbschance müsste um ein vom Verbot der Einlagenrückgewähr geschützter Vermögenswert der Gesellschaft sein zu können „sich soweit verdichtet haben, dass ihr ein Marktwert zukommt“, deckt sich dies unseres Erachtens mit den erwähnten Grundsätzen zum Ersatz von entgangenem Gewinn.