Zur Geschäftsführerhaftung infolge mangelhafter Implementierung eines IKS, einschließlich der Vereinbarung von Verfallsfristen für Ersatzansprüche

 

1. Ausgangslage

Gemäß § 25 Abs 1 GmbH sind die Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Insbesondere haben Geschäftsführer auch dafür zu sorgen, dass ein Rechnungswesen und ein internes Kontrollsystem (IKS) geführt werden, die den Anforderungen des Unternehmens entsprechen (§ 22 Abs 1 GmbHG).

 

2. Entscheidung OGH 9 ObA 136/09v

Im Anlassfall hatte der Geschäftsführer zweier konzernverbundener GmbHs eine externe Dritte mit Buchhaltung und Gehaltsabrechnungen für nunmehr klagenden GmbHs beauftragt. Bei Erstellung der Jahresabschlüsse wurde der Geschäftsführer vom die Bilanzen erstellenden Steuerberater darauf hingewiesen, dass keine ordnungsgemäße Buchführung vorliege – woraufhin der Beklagte nicht etwa die Buchhalterin wechselte, sondern veranlasste, dass die Buchhalterin auf Kosten einer der Gesellschaften einen entsprechenden Kurs besuchte. In den kommenden eineinhalb Jahren führte die Buchhalterin (unzulässigerweise) zahlreiche Überweisungen von den Konten der Gesellschaften auf ihr eigenes Konto durch und entnahm auch Geld aus der Handkassa.

Als bei einer der GmbHs eine neue Mitarbeiterin angestellt wurde, um die Aufgaben der Buchhalterin künftig zu übernehmen, fielen dieser die Ungereimtheiten auf und sie informierte den Beklagten. Dieser unternahm jedoch mehrere Monate lang nichts.

Nach Durchführung einer Sonderprüfung durch die Innenrevisionsabteilung wurde das Dienstverhältnis mit dem Geschäftsführer schlussendlich beendet. In weiterer Folge begehrten die Gesellschaften vom Geschäftsführer den Ersatz des entstandenen Schadens.

In seiner Entscheidung führte der OGH insbesondere Folgendes aus:

  • Zu Verpflichtungen eines Geschäftsführers im Zusammenhang mit dem IKS
    • Dem Geschäftsführer wurde insbesondere (i) die Nichteinhaltung des Vier-Augen-Prinzips bei Überweisungen, obwohl dies eine Vorgabe der Gesellschaft war, (ii) die Vernachlässigung der Aufsicht über eine bekanntermaßen fehlerhaft arbeitende Mitarbeiterin, und (iii) die Unterlassung jeglicher Kontrollen sowohl bezüglich der Überweisungen als auch der Handkassa vorgeworfen. Dies wurde als grobe Pflichtverletzung qualifiziert.
    • Auch auf die ihm erteilte Entlastung durfte sich der Beklagte nicht berufen, weil die Gesellschafter zum Zeitpunkt der jeweiligen Entlastungen keine Kenntnis der Malversationen der Buchhalterin oder der mangelhaften Kontrolle des Beklagten hatten und es für sie auch nicht erkennbar war.
  • Zum Anspruchsverfall
    • Ausdrücklich hält der OGH fest, dass § 25 Abs 6 GmbHG zwingendes Recht normiert und deshalb auch eine Verkürzung der Verjährungsfrist im Vorhinein nicht zulässig ist.
    • Zwar seien gemäß § 25 Abs 7 iVm § 10 Abs 6 GmbHG Vergleiche und Verzichtsleistungen (unter gewissen Bedingungen) zulässig. Daraus lasse sich jedoch nicht ableiten, dass eine Disposition vorweg, zu einem Zeitpunkt, zu dem Ansprüche weder bekannt noch absehbar seien und auch nicht beurteilt werden könnten, inwieweit diese zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich sind, mit dem Schutzzweck des Gesetzes in Einklang zu bringen ist.
    • Dementsprechend war auch die vertragliche Vereinbarung einer Verkürzung der Verfallsfrist im Geschäftsführerdienstvertrag unzulässig.

3. Fazit

In seiner Entscheidung behandelt der OGH insbesondere auch folgenden praktisch bedeutsamen Aspekt: Bereits vor Beginn der Tätigkeit des Beklagten für die Klägerinnen wurde ein internes Kontrollsystem eingeführt, das vom Beklagten (auch im Vertrauen auf das Funktionieren externer Kontrollmaßnahmen) übernommen wurde. Nach Ansicht des OGH bedarf auch ein von einem Geschäftsführer übernommenes Kontrollsystem einer regelmäßigen Evaluierung.

Um ihren gesetzlichen Pflichten zur Führung eines IKS nachzukommen, sind Geschäftsführer daher nicht nur verpflichtet, ein IKS (erstmals) einzuführen, sondern auch bestehende Systeme regelmäßig dahingehend zu prüfen, ob diese nach wie vor den Erfordernissen des Unternehmens entsprechen. Sie können sich nicht darauf berufen auf die Effektivität externer Kontrollmaßnahmen (wie beispielsweise eine Abschlussprüfung) vertraut zu haben.

Im Zusammenhang mit bereits implementierten IKS folgt aus der Entscheidung des OGH, dass von Geschäftsführern eine engmaschige Kontrolltätigkeit (bis hin zur regelmäßigen genauen Überprüfung einzelner Buchungen, wenn die Anzahl gering ist, oder der regelmäßigen inhaltlichen Prüfung von Handkassenjournalen) erwartet wird, die darauf abzielt, Missstände im Unternehmen rasch zu erkennen und zu beseitigen bzw überhaupt zu verhindern. Dabei spielt auch die Identität der involvierten Personen eine Rolle: Bezogen auf die (bekanntermaßen mangelhaft arbeitende) Buchhalterin wurde vom OGH ausgeführt, schon aus der Kenntnis der Unregelmäßigkeiten wäre eine intensivere Kontrolle durch den Geschäftsführer erforderlich gewesen.

Mangels unternehmerischer Entscheidung kommt die Business Judgement Rule in diesem Zusammenhang nicht zur Anwendung. In concreto stünde auch die Verletzung interner Richtlinien (hinsichtlich des Vier-Augen-Prinzips) der Anwendung der Business Judgement Rule entgegen.

Im Ergebnis ist Geschäftsführungen daher die regelmäßige kritische Prüfung des eigenen IKS zu empfehlen – allenfalls unter Beiziehung externer Berater. Auch wenn es sich hier um einen Extremfall handelt zeigt sich: Untätigkeit kann zur Haftung führen.