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Mit Verlautbarung im BGBl. I Nr. 147/2021 vom 26. Juli 2021 trat die neue Restrukturierungsordnung (ReO) in Kraft. Die Restrukturierungspraxis in Österreich wird somit durch ein weiteres Instrument zur Restrukturierung von Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten bereichert. Die Restrukturierung nach der ReO ist ein gerichtliches Verfahren, das ausschließlich auf Antrag des Schuldners eingeleitet wird. Die ReO setzt die Vorgaben der Richtlinie (EU) 2019/1023 (Restrukturierungsrichtlinie) um, mit der Unternehmenssanierungen in der EU gefördert werden sollen. Überdies wird die Harmonisierung des Insolvenzrechts innerhalb der EU angestrebt. Dieser Beitrag soll Ihnen einen Einblick in die grundlegenden Merkmale der ReO geben.

Voraussetzungen

Grundvoraussetzung für die Einleitung eines gerichtlichen Restrukturierungsverfahrens ist die wahrscheinliche Insolvenz. Als wahrscheinlich gilt die Insolvenz, wenn der Schuldner eine Eigenmittelquote von weniger als 8% aufweist und die fiktive Schuldentilgungsdauer mehr als 15 Jahre beträgt. Ein Restrukturierungsverfahren wird jedoch nicht eingeleitet, wenn bereits ein Insolvenzverfahren geführt wird oder vor weniger als 7 Jahren ein Sanierungs- bzw Restrukturierungsplan bestätigt wurde. Auch eine Verurteilung des Schuldners oder eines vertretungsbefugten Organs wegen eines Bilanzdelikts kann ein Hindernis darstellen.

Das Restrukturierungsverfahren

Das Restrukturierungsverfahren wird auf Antrag des Schuldners eingeleitet. Im Einleitungsantrag hat der Schuldner das Vorliegen einer wahrscheinlichen Insolvenz darzulegen sowie einen Finanzplan, ein Vermögensverzeichnis und (bei UGB-Rechnungslegungspflicht) die Jahresabschlüsse der letzten drei Geschäftsjahre anzuschließen. Den Kern des Antrags bilden jedoch der Restrukturierungsplan und das Restrukturierungskonzept. Das Restrukturierungskonzept hat die geplanten Maßnahmen zur Restrukturierung grob darzustellen. Welche Maßnahmen für die Restrukturierung zu ergreifen sind, lässt der Gesetzgeber allerdings offen. Der Inhalt des Restrukturierungsplans ist hingegen in § 27 ReO genau definiert. Vor allem hat der Schuldner darin die von den Restrukturierungsmaßnahmen betroffenen Gläubiger zu nennen. Überdies hat der Restrukturierungsplan auf die geplanten Restrukturierungsmaßnahmen, deren Dauer, die Auswirkungen auf die Arbeitnehmer und die dazu notwendige Finanzierung einzugehen.

Im Zuge des Restrukturierungsverfahrens soll der Schuldner möglichst die Kontrolle über sein Unternehmen behalten. Wenn das zuständige Gericht erachtet, dass Nachteile für die Gläubiger zu befürchten sind, ist ein Restrukturierungsbeauftragter zu bestellen.

Gläubigerklassen und klassenübergreifender Cram down

Ein wesentlicher Aspekt einer Restrukturierung ist die Zuteilung der von den Restrukturierungsmaßnahmen betroffenen Gläubiger in Klassen. Diese Klassenbildung ist bei KMU allerdings nicht erforderlich. Die ReO sieht die Bildung folgender Klassen vor:

  • Gläubiger mit besicherten Forderungen (zB Pfandrechte, Personalhaftungen)
  • Gläubiger mit unbesicherten Forderungen
  • Anleihegläubiger
  • schutzbedürftige Gläubiger (das sind insbesondere Gläubiger mit Forderungen unter EUR 10.000)
  • Gläubiger nachrangiger Forderungen

Die Abstimmung über die Annahme des Restrukturierungsplans erfolgt in den einzelnen Gläubigerklassen anhand einer Kopf- und Summenmehrheit (dh, die Summe der Forderungen der zustimmenden Gläubiger muss zumindest 75% der Forderung in der jeweiligen Klasse betragen). Bei KMU ist mangels Gläubigerklassenbildung das Abstimmungsergebnis durch die Mehrheit aller anwesenden Gläubiger zu ermitteln. Der Restrukturierungsplan ist nach Annahme durch die Gläubiger schließlich durch das zuständige Gericht zu bestätigen.

Auf Antrag des Schuldners kann das Gericht den Restrukturierungsplan aber auch dann bestätigen, wenn er nicht in allen Gläubigerklassen Zustimmung findet (klassenübergreifender Cram down). Ein klassenübergreifender Cram down kommt in Betracht, wenn:

  • die allgemeinen Voraussetzungen für die Bestätigung erfüllt sind (insbesondere die wahrscheinliche Insolvenz);
  • die ablehnenden Gläubigerklassen mit gleichrangigen Klassen gleich, jedoch besser als nachrangige Klassen gestellt werden;
  • kein Gläubiger mehr erhält als den vollen Betrag seiner Forderung;
  • der Restrukturierungsplan angenommen wird von (i) einer Mehrheit der Gläubigerklassen, einschließlich der Klasse der besicherten Gläubiger (ii) oder von einer Mehrheit der Gläubigerklassen, die Gläubiger einschließen, die im Insolvenzverfahren eine Quote erhalten würden.

Gegen die Bestätigung oder die Ablehnung des Restrukturierungsplans steht dem Schuldner und den betroffenen Gläubigern das Rechtsmittel des Rekurses zu. Dem Rekurs kommt nur aufschiebende Wirkung zu, wenn die Nachteile des Rekurswerbers die Vorteile der Planumsetzung überwiegen.

Vollstreckungssperre, ipso facto-Klauselverbot und Insolvenzantragspflicht

Auf Antrag kann der Schuldner bewirken, dass während des Restrukturierungsverfahrens keine Exekutionen auf sein Vermögen bewilligt werden und das keine richterliche Pfand- und Befriedigungsrechte erworben werden können. Die Vollstreckungssperre umfasst auch Absonderungsgläubiger, dh etwa durch Pfandrechte besicherte Gläubiger.

Von der Vollstreckungssperre erfasste Gläubiger dürfen Leistungen aufgrund der Nichtzahlung von vor Verhängung der Vollstreckungssperre entstandene Forderungen nicht verweigern, kündigen oder in sonstiger Weise zum Nachteil des Schuldners ändern. Vertragliche Vereinbarungen zu den vorgenannten Zwecken sind unzulässig. Ausgenommen davon sind Ansprüche auf Auszahlung von Krediten oder anderen Kreditzusagen.

Während einer gerichtlichen Restrukturierung entfällt die Insolvenzantragspflicht des Schuldners wegen Überschuldung nicht jedoch aufgrund von Zahlungsunfähigkeit des Schuldners.

Frisches Geld – Einschränkung von Anfechtungen

Die Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie brachte weiters Änderungen betreffend die Anfechtbarkeit aufgrund mittelbarer Gläubigerbenachteiligung. Davon betroffen sind insbesondere gerichtlich genehmigte neue Finanzierungen und Zwischenfinanzierungen. Diese sind nach einer Restrukturierung nach eingeleitetem Insolvenzverfahren nicht mehr anfechtbar, sofern dem Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht bekannt war (§ 36a IO). Dieser besondere Anfechtungsschutz ist auf Rechtshandlungen und Rechtsgeschäfte anzuwenden, die nach dem 16. Juli 2021 vorgenommen bzw eingegangen werden.

Vereinfachtes Restrukturierungsverfahren

Sind nur Finanzgläubiger von der geplanten Restrukturierung betroffen, hat das zuständige Gericht auf Antrag des Schuldners ein vereinfachtes Restrukturierungsverfahren einzuleiten. Nach Einvernahme der betroffenen Finanzgläubiger hat das Gericht ohne Durchführung einer Tagsatzung über die Bestätigung der Restrukturierungsvereinbarung zu entscheiden. Voraussetzungen für eine vereinfachte Restrukturierung mit Finanzgläubigern sind neben der wahrscheinlichen Insolvenz:

  • die Zustimmung durch eine Mehrheit von mindestens 75% der Gesamtsumme der Forderungen in jeder Gläubigerklasse; und
  • der Abschluss einer Restrukturierungsvereinbarung unter Angabe des Datums der Unterfertigung zwischen Schuldner und den zustimmenden Finanzgläubigern.

Das Gericht hat die Restrukturierungsvereinbarung zu bestätigen, wenn der Schuldner die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt, alle geforderten Unterlagen einreicht und dem Gericht eine Bestätigung durch einen allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für das Gebiet Unternehmensführung, Unternehmensreorganisation, Unternehmenssanierung, Unternehmensliquidation vorlegt. Die Sachverständigenbestätigung hat neben der Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen die Gläubigerklassenbildung, das Kriterium des Gläubigerinteresses (Verbot der Schlechterstellung eines ablehnenden Gläubigers als in einem Insolvenzverfahren), die Tauglichkeit der Restrukturierungsvereinbarung sowie die Bestandsfähigkeit des Unternehmens zu untersuchen und bestätigen.

Conclusio

Mit der Einführung der Restrukturierungsordnung (ReO) wurde Schuldnern nunmehr ein praktikables Instrument zur Verfügung gestellt, um rechtzeitig auf finanzielle Krisen reagieren zu können. Die Möglichkeit des klassenübergreifenden Cram down wird dazu beitragen, dass ablehnende Gläubiger sinnvolle Restrukturierungsmaßnahmen nicht blockieren können. Überdies schafft der neue Anfechtungsschutz bei der genehmigten Gewährung von frischem Geld durch Kreditgeber Rechtssicherheit. Die mit Restrukturierungen verbundenen Kosten könnten allerdings kleinere Unternehmen vor einer gerichtlichen Restrukturierung abschrecken.

ANSPRECHPARTNER

Dieter Buchberger

Dr. Dieter Buchberger, LL.M. Eur.
Partner

 

Mag. Johann Manuel Gasser LL.M.
Rechtsanwalt