Bisher wurden Wertpapierfirmen in Österreich vor allem durch das Wertpapieraufsichtsgesetz (WAG) geregelt. Das neue Wertpapierfirmengesetz (WPFG) ergänzt das WAG durch Vorgaben zum Anfangskapital von Wertpapierfirmen, Organisationsanforderungen und Anforderungen an das Risikomanagement. Das WPFG trat mit 1. Februar 2023 in Kraft und setzt die VO (EU) 2019/2033 um. Der folgende Beitrag bietet einen Überblick über die wichtigsten Änderungen.

1.  Anfangskapital

§ 3 Abs 6 WAG normierte bisher die Anforderungen an das Anfangskapital von Wertpapierfirmen. Nunmehr enthält § 3 Abs 6 WAG selbst keine eigenen inhaltlichen Regelungen mehr und verweist lediglich auf § 13 WPFG, in dem das Anfangskapital von nun an geregelt wird. Das erforderliche Anfangskapital beträgt nun zwischen EUR 75.000 und EUR 750.000, je nachdem welche Wertpapierdienstleistungen angeboten werden sollen und welche Größe eine Wertpapierfirma hat.

2. Organisationsanforderungen und Vergütung

Das WPFG sieht vor, dass Wertpapierfirmen eine klare Organisationsstruktur mit genau definierten, transparenten und widerspruchsfreien Zuständigkeiten haben und über ein Risikomanagementsystem und angemessene interne Kontrollmechanismen inkl solider Verwaltungs- und Rechnungslegungsverfahren verfügen. Die Vergütungspolitik und -praxis muss geschlechtsneutral und vereinbar mit einem wirksamen Risikomanagementverfahren sein. Die Anlage zum WPFG enthält eine umfangreiche Liste mit 23 Vergütungsgrundsätzen, die bei der Gestaltung der Vergütungspolitik anzuwenden sind.

Das WPFG sieht Spezialregelungen für „große Wertpapierfirmen“ vor, deren bilanzielle und außerbilanzielle Vermögenswerte in den letzten vier Jahren durchschnittlich mehr als EUR 100 Mio betrugen. Im Zusammenhang mit der Vergütung haben große Wertpapierfirmen im Aufsichtsrat einen Vergütungsausschuss einzurichten.

3. Risikomanagement

Inhaltliche Änderungen ergeben sich für Wertpapierfirmen aus den neuen Bestimmungen zum Riskmanagement des WPFG. Relevant sind sämtliche Risiken, die für Kund:innen, den Markt oder die Wertpapierfirma bestehen, sowie Liquiditätsrisiken.

Wertpapierfirmen haben die wesentlichen Ursachen und Auswirkungen dieser Risiken zu ermitteln, zu messen, zu steuern und zu überwachen. Zusätzlich ist ein effektives Berichtswesen an die Geschäftsführung und den Aufsichtsrat einzurichten, damit diese über die Risiken informiert sind.  Der Umgang mit Risiken hat angemessen zu sein in Bezug auf das Risikoprofil, den Tätigkeitsbereich, die Komplexität der Wertpapierfirma und ihrer Bedeutung im jeweiligen Mitgliedsstaat. „Große Wertpapierfirmen“ haben im Aufsichtsrat einen Risikoausschuss einzurichten.

4. Ausnahmen für kleine und nicht-verflochtene Wertpapierfirmen

Die genannten Anforderungen an das Risikomanagement, die Organisationsstruktur und die Vergütungspolitik gelten nicht für kleine und nicht-verflochtene Wertpapierfirmen nach Art 12 Abs 1 VO (EU) 2019/2033.

Um unter diese Ausnahme zu fallen, müssen Wertpapierfirmen eine Reihe an finanziellen Kennzahlen erfüllen. Bspw müssen etwa die AUM unter EUR 1,2 Mrd liegen, die bilanzielle und außenbilanzielle Gesamtsumme der Wertpapierfirma muss weniger als EUR 100 Mio betragen (für „große Wertpapierfirmen“ sollen die Ausnahmen nicht gelten) und die jährlichen Bruttoeinkünfte aus Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten müssen weniger als EUR 30 Mio betragen. Diese Voraussetzungen – und weitere finanzielle Kennzahlen – müssen kumulativ erfüllt sein.