In einer kürzlich ergangenen Entscheidung 8 ObA 23/23z kam der Oberste Gerichtshof (OGH) zu dem Schluss, dass der unionsrechtlich gesicherte Urlaubsanspruch nur dann verjährt, wenn der Arbeitgeber den:die Arbeitnehmer:in zum Urlaubskonsum aufgefordert und auf die Verjährung hingewiesen hat. Kommt der Arbeitgeber diesen Verpflichtungen nicht nach, verjährt der Urlaub nicht und kann daher während des aufrechten Arbeitsverhältnisses in natura verbraucht werden bzw. ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Rahmen der Urlaubsersatzleistung zu berücksichtigen. Der OGH folgt damit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Nach österreichischem Recht beträgt der Urlaubsanspruch grundsätzlich fünf Wochen bzw. sechs Wochen nach 25 Dienstjahren. Das europäische Recht sieht in der Arbeitszeitrichtlinie (Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung) ebenfalls einen Mindesturlaubsanspruch – nämlich vier Wochen –vor. Darüber hinaus sieht auch die Europäische Grundrechtecharta vor, dass jede:r Arbeitnehmer:in Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub hat (ohne jedoch einen Mindestanspruch festzulegen).

Nach österreichischem Recht verjährt der Urlaubsanspruch grundsätzlich binnen zwei Jahren ab Ende des Urlaubsjahres, in dem der Urlaub entstanden ist. Offene Urlaubsansprüche können solange mit in das nächste Urlaubsjahr genommen werden, als sie noch nicht verjährt sind. Insgesamt haben Arbeitnehmer:innen somit drei Jahre, um ihren Urlaub zu verbrauchen. Bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind Alturlaube für vergangene Urlaubsjahre abzugelten, sofern sie noch nicht verjährt sind.

Nach dem österreichischen Urlaubsgesetz (UrlG) ist der Urlaubsverbrauch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer:in zu vereinbaren. Das UrlG sieht aber keine Informationspflichten oder Aufforderungspflichten hinsichtlich der Verjährung (offener) Urlaubsansprüche oder des Urlaubsverbrauchs gegenüber Arbeitnehmer:innen vor.

Derartige Verpflichtungen ergeben sich aber nun – für den unionsrechtlich gesicherten Urlaubsanspruch i. H. v. vier Wochen – aus der gegenständlichen Entscheidung des OGH. Demnach sind Arbeitgeber verpflichtet, ihre Arbeitnehmer:innen zum Verbrauch offener Urlaubsansprüche aufzufordern und auf die Verjährung hinzuweisen. Dass ein Urlaubsverbrauch tatsächlich möglich gewesen wäre bzw. dem:der Arbeitnehmer:in auf Anfrage Urlaub gewährt worden wäre, hat der OGH im Rahmen der Entscheidung für die Verjährung nicht als ausreichend erachtet.

Kommt der Arbeitgeber seinen Aufforderungs- und Hinweispflichten nicht nach, führt dies nach der gegenständlichen Entscheidung dazu, dass offene Urlaubsansprüche im Ausmaß des unionsrechtlichen Urlaubsanspruches (vier Wochen pro Urlaubsjahr) nicht verjähren. Die Hinweis- und Aufforderungspflichten beziehen sich somit nicht auf die fünfte und sechste Urlaubswoche (bzw. hat sich der OGH dazu mangels Notwendigkeit nicht explizit geäußert).

Um ein „Horten“ von Urlaubsansprüchen zu vermeiden, muss die Initiative somit klar vom Arbeitgeber ausgehen. Ein regelmäßiger Urlaubsverbrauch (im Jahr des Entstehens des Urlaubsanspruchs) ist zudem auch im Interesse der Arbeitnehmer:innen (Erholung). Maßnahmen, mit denen den Aufforderungs- und Hinweispflichten nachgekommen wird, sollten jedenfalls ausreichend dokumentiert und im Personalakt abgelegt werden.

ANSPRECHPARTNERINNEN

Lisa Jobst

Lisa Jobst

Elisabeth Wasinger

Elisabeth Wasinger