Die Sozialpartner haben am 25.5.2020 zwei neue Versionen („Formularversion 7.0) für die Sozialpartnervereinbarung/Einzelvereinbarung (ohne Betriebsrat) und Sozialpartnervereinbarung/Betriebsvereinbarung (mit Betriebsrat) veröffentlicht, die für Erstanträge auf Kurzarbeit ab 1.6. und für Verlängerungen der laufenden Kurzarbeit zu verwenden sind. Beim AMS können ab 1.6.2020 keine rückwirkenden Erstanträge mehr gestellt werden. Sowohl Erstanträge als auch Verlängerungsanträge können nur mehr via eAMS eingebracht werden.

 

I. Neue Sozialpartnervereinbarungen veröffentlicht

Am 25. Mai 2020 haben die Sozialpartner neue Sozialpartnervereinbarungen für die Corona-Kurzarbeit veröffentlicht. Diese sind für alle Erst- und Verlängerungsanträge ab dem 1. Juni 2020 zu verwenden.

Die neuen Sozialpartnervereinbarungen enthalten folgende Änderungen/Klarstellungen:

1. Arbeitszeit

Die Arbeitszeit während Kurzarbeit muss hinsichtlich ihrer Lage (zB „zuerst voll, dann keine Arbeit“, Festlegung der Arbeitstage etc.) in der Sozialpartnervereinbarung nicht mehr genau definiert werden. Es reicht die Angabe der durchschnittlichen Arbeitszeit im Betrieb während der Kurzarbeit.

Die Lage der reduzierten Normalarbeitszeit ist nach der jeweils anzuwendenden Rechtsgrundlage (Kollektivvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelvereinbarung) festzulegen oder zu vereinbaren.

Es wurde klargestellt, dass die Herabsetzung der Arbeitszeit für einzelne Arbeitnehmer unterschiedlich vereinbart werden kann.

Bezüglich flexibler Arbeitszeitmodelle wird geregelt, dass diese entweder unverändert oder an die Kurzarbeit angepasst aufrecht bleiben. Kurzarbeitsbedingte „Auswirkungen“ seien jedoch zu „neutralisieren“. Das heißt zB, dass Ausfallsstunden zu keiner Zeitschuld führen dürfen.

Im Ergebnis bedeutet dies jedoch uE, dass flexible Zeitmodelle – allen voran das in Österreich häufig angewandte Gleitzeitmodell – idealerweise an die Bedingungen der Kurzarbeit angepasst werden sollten, damit es hier nicht zu falschen Angaben in den Zeitkonten kommt und damit die Ausfallsstunden korrekt nachgewiesen werden können.

Des Weiteren wurden folgende drei Bedingungen festgeschrieben, unter denen einseitige Anordnungen von Arbeitsleistungen über das verkürzte Arbeitszeitmaß hinaus zulässig sind:

  • Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer Lage und Dauer der Arbeitszeit drei Tage im Vorhinein In unvorhersehbaren Fällen kann bei erhöhtem Arbeitsbedarf von dieser Frist abgesehen werden. Durch diese Regelung wird das Verbot der Arbeit auf Abruf bekräftigt.
  • Es stehen der Änderung keine berücksichtigungswürdigen Interessens des Arbeitnehmers entgegen.
  • Die geänderte Arbeitszeit liegt innerhalb der vor Kurzarbeit vereinbarten Lage der Arbeitszeit.

Die Sozialpartner müssen über die Änderung der Arbeitszeit nicht mehr verständigt werden.

2. Behaltepflicht

Nach wie vor gilt, dass während der Kurzarbeit der Beschäftigtenstand des Unternehmens, Betriebes oder Betriebsteils, für den das Kurzarbeitsbegehren gestellt wird, aufrechterhalten werden muss. Darüber hinaus gilt für die in die Kurzarbeit einbezogenen Arbeitnehmer eine Behaltefrist von einem Monat nach dem Ende der Kurzarbeit.

Verschlechtern sich die Verhältnisse des Arbeitgebers jedoch nach Abschluss der Sozialpartnervereinbarung wesentlich, kann die Behaltefrist mit Zustimmung der Gewerkschaft verkürzt werden oder entfallen – stimmt die Gewerkschaft dem nicht zu, kann die Zustimmung durch eine Entscheidung des Regionalbeirats der regionalen Geschäftsstelle (RGS) des AMS ersetzt werden.

Die neue Sozialpartnervereinbarung enthält eine – konkretisierende – Liste von Fällen, in denen eine Beendigung trotz Behaltepflicht zulässig ist und keine Pflicht auslöst, eine andere Person einzustellen (Auffüllpflicht):

  • Vor Kurzarbeit gekündigte Arbeitnehmer, deren Kündigungsfrist während des Kurzarbeitszeitraumes endet;
  • Zeitablauf von befristeten Arbeitsverhältnissen;
  • Arbeitnehmer-Kündigungen;
  • Berechtigte Entlassungen und unberechtigte vorzeitige Austritte;
  • Einvernehmliche Auflösungen, wenn der Arbeitnehmer Gelegenheit zur Beratung mit Gewerkschaft/Arbeiterkammer hatte;
  • Tod des Arbeitnehmers;
  • Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines Pensionsanspruchs;
  • Auflösung des Arbeitsverhältnisses während der Probezeit (Achtung: hierfür ist nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Regeln die Vereinbarung einer Probezeit im Arbeitsvertrag notwendig!);
  • Betriebsbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber, sofern die Zustimmung der Gewerkschaft/des RGS-Regionalbeirates zur Verringerung/Aussetzung der Behaltefrist vorliegt.

Nach wie vor führen folgende Beendigungen zu einer Auffüllpflicht:

  • Arbeitgeber-Kündigungen aus personenbezogenen Gründen;
  • Unberechtigte Entlassungen und berechtigte vorzeitige Austritte;
  • Einvernehmliche Auflösung ohne Beratung des Arbeitnehmers mit Gewerkschaft/Arbeiterkammer.

Kündigungen durch den Arbeitgeber sind demnach aus personenbezogenen Gründen (mit Auffüllpflicht) sowie ohne Auffüllpflicht aus betriebsbedingten Gründen („wenn der Fortbestand des Unternehmens oder Betriebsstandortes in hohem Maß gefährdet ist“) mit Zustimmung des RGS Personalbeirates oder der Gewerkschaft zulässig.

Zur Erfüllung der Auffüllpflicht hat der Arbeitgeber eine „angemessene“ Zeit zur Personalsuche zur Verfügung. Gemäß der neuen Sozialpartnervereinbarung ist die Glaubhaftmachung von Suchaktivitäten (Vorlage der Stellenausschreibung, Nachweis der Meldung freier Stellen an das AMS) ausreichend.

Die Beschäftigung von mehr überlassenen Arbeitskräften als vor Einführung der Kurzarbeit ist ohne Einvernehmen mit der Gewerkschaft untersagt.

Bezüglich der Angabe des Beschäftigtenstandes in der Sozialpartnervereinbarung enthält die neue Sozialpartnervereinbarung detaillierte Ausfüllhilfen insbesondere in Bezug auf überlassene Arbeitskräfte.

3. Entgeltanspruch der Arbeitnehmer während der Kurzarbeit

Es gilt primär weiterhin, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mindestens die Nettoentgeltgarantie leisten muss.

Dem wird gemäß der neuen Sozialpartnervereinbarung auch dann entsprochen, wenn nach Ermittlung des relevanten Nettobetrages das jeweilige neue Bruttoentgelt einer (noch nicht erlassenen Verordnung) des BMAFJ entnommen wird. Es ist davon auszugehen, dass diese zukünftige Verordnung eine Tabelle mit – in Anlehnung an die Ermittlung der AMS-Pauschalsätze (aber ohne Deckelung mit der SV-Höchstbeitragsgrundlage) errechneten – Bruttobeträgen enthalten wird. Die diesbezügliche Rechtsgrundlage befindet sich aktuell noch in parlamentarischer Behandlung.

Die Nettoentgeltgarantie wird auch weiterhin vom letzten vollentlohnten Monatsentgelt berechnet. Besteht jedoch kein tatsächlich vollentlohnter Monat vor Kurzarbeit, ist das arbeitsvertraglich vereinbarte Entgelt heranzuziehen.

Sobald das arbeitsvertraglich geschuldete Bruttoentgelt für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit in einem Monat das Bruttoentgelt für die Nettoentgeltgarantie übersteigt, ist in diesem Monat das Entgelt für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit zu leisten. Dies nennen die Sozialpartner „subsidiäre Entlohnung der tatsächlich geleisteten Stunden“.

Eine Durchrechnung des gesamten Kurzarbeitszeitraumes in Bezug auf das Entgelt ist nicht mehr möglich.

Lehrlinge erhalten im Falle des Wechsels des Lehrjahres innerhalb des Kurzarbeitszeitraumes ab dem Wechsel 100% der Lehrlingsentschädigung des neuen Lehrjahres.

Im Falle eines Wechsels in ein Dienstverhältnis nach erfolgreicher Lehrabschlussprüfung gebührt die jeweilige Nettoentgeltgarantie auf Basis des ohne Kurzarbeit zustehenden Entgelts.

4. Urlaub

Im Falle der Verlängerung der Kurzarbeit hat sich der Arbeitgeber um den Verbrauch von bis zu drei Wochen des laufenden Urlaubsanspruchs ernsthaft zu bemühen. Wie beim Erstantrag reicht aus Sicht der Sozialpartner der Nachweis des ernstlichen Bemühens.

5. Dienstzettel

Die betroffenen Arbeitnehmer haben Anspruch auf eine Kopie der Sozialpartnervereinbarung oder einen „Kurzarbeits-Dienstzettel“.

Ein Muster eines solchen Dienstzettels ist der neuen Sozialpartnervereinbarung angehängt.

II. Beantragung der Kurzarbeit und deren Verlängerung/Änderungen beim AMS

Das AMS verlautet derzeit (27. Mai 2020) auf seiner Homepage: „Ab dem 1. Juni 2020 ist eine rückwirkende Erstbegehrensstellung nicht mehr möglich. Neue Kurzarbeitsbegehren sind ab diesem Datum immer vor Beginn des Kurzarbeitszeitraums zu stellen.“

Die Beantragung der Verlängerung dürfte nach letztem Informationsstand hingegen auch rückwirkend möglich sein. Soll die Kurzarbeit verlängert werden, sollte uE dennoch grundsätzlich eine zeitnahe Beantragung erfolgen.

Gemäß einem vom AMS veröffentlichten Video auf der Videoplattform „Youtube“ (https://www.youtube.com/watch?v=pwjG5WwTX2w&feature=youtu.be) ist der Verlängerungsantrag – genauso wie ab sofort ein Erstantrag – mittels eAMS-Konto zu stellen.

Die Sozialpartnervereinbarung (sei es für den Erstantrag, sei es für die Verlängerung) ist nur von den Arbeitnehmern bzw dem Betriebsrat zu unterschreiben und dem AMS mittels eAMS zu übermitteln. Nach Informationen der Wirtschaftskammer stimmt diese pauschal der Sozialpartnervereinbarung zu. Das AMS übermittelt die Sozialpartnervereinbarung direkt der Gewerkschaft, welche binnen 48 Stunden Einwände erheben kann.

Über das eAMS Konto soll es – laut dem veröffentlichten Video – des Weiteren auch möglich sein, Änderungen der Beihilfe zu beantragen und bspw. den Kurzarbeitszeitraum des Erstantrages, sofern er drei Monate unterschreitet, bis zur maximalen Dauer von drei Monaten weiterzuführen (dies stellt noch keinen Verlängerungsantrag, sondern eine Ausdehnung der laufenden Kurzarbeitsperiode auf die maximale Laufzeit dar!) sowie weitere Personen in die Kurzarbeit einzubeziehen.

Klarstellungen des Gesetzgebers – auch für Zeiträume ab 1.3.2020 – zu § 37b AMSG stehen aktuell noch in parlamentarischer Behandlung. Auf sie wird zwar in den neuen Sozialpartnervereinbarungen schon indirekt Bezug genommen, die Gesetzwerdung bleibt noch abzuwarten. Bei deren Vorliegen werden wir Sie umgehend weiter informieren.

III. Durchführungsbericht und angekündigte Rückforderung von „Überförderungen“

Bis zum 28. des Folgemonats nach Ende der Behaltefrist ist ein Durchführungsbericht zur Endabrechnung der COVID19-Kurzarbeitsbeihilfe an das AMS zu übermitteln. Dieser wurde mittlerweile auf der Website des AMS (https://www.ams.at/unternehmen/suche#wien) veröffentlicht.

Mit Stand 27. Mai 2020 hat das AMS folgende Informationen zum Thema Überförderung auf seiner Homepage veröffentlicht:

„Durch die Gewährung eines fixen Pauschalsatzes pro Ausfallstunde durch das AMS kann es in Einzelfällen zu einer Kurzarbeitsbeihilfe kommen, die höher liegt als die Kosten samt Nebenkosten der Arbeitgeberin/des Arbeitsgebers für die Ausfallzeiten. Stellt sich eine solche Überförderung im Zuge der Prüfung der widmungsgemäßen Verwendung der Kurzarbeitsbeihilfe heraus, wird das AMS die festgestellte Überförderung zurückfordern.“

Konkrete Regeln zur Rückforderung sind noch nicht bekannt.

ANSPRECHPARTNER KPMG Law

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