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Erneuerbaren Ausbau Gesetz 2020
Rahmenbedingungen für die Ökostromerzeugung werden weitgehend geändert werden
Mit 1. Jänner 2021 soll das Erneuerbaren Ausbau Gesetz in Kraft treten, mit dem die österreichischen Rahmenbedingungen für die Ökostromerzeugung weitgehend geändert werden. Der Gesetzesentwurf wurde am 16. September veröffentlicht und in Begutachtung geschickt. Die neuen Regelungen betreffen sowohl gewerbliche Produzenten von Ökostrom als auch private Erzeuger, die sich künftig in „Energiegemeinschaften“ zusammenschließen können. Nachfolgend soll eine kompakte Vorausschau der in der Praxis relevanten Neuerungen sowie der Entwicklungspotenziale im Zuge der „österreichischen Energiewende“ gegeben werden.
Für den Wirtschaftssektor „Erneuerbare Energie“ wird das Inkrafttreten des „Erneuerbaren Ausbau Gesetz“ („EAG“) nach jahrelanger Stop-and-go-Politik einen bedeutenden Wendepunkt darstellen. Klare langfristige Regelungen zum nachhaltigen Umstieg auf erneuerbare Energiequellen wurden bereits seit Langem erwartet, weil die Planungssicherheit bei Großprojekten im Bereich des Ökostroms (wie etwa beim Bau von Windkraftanlagen) angesichts der hohen Investitionskosten stets eine zentrale Rolle spielt und sich der derzeitige Rechtsrahmen als unzureichend erwiesen hat.
Klimaschutz & erneuerbare Energie im Regierungsprogramm
Mit dem Regierungsprogramm 2020-2024 setzte sich die Bundesregierung ambitionierte Klimaschutzziele:
- 100 % Strom aus erneuerbaren Energiequellen bis 2030
- „Klimaneutrales Österreich“ bis spätestens 2040
Die Bundesregierung will mit diesen Zielen erreichen, dass Österreich in Europa eine Vorreiterrolle im Klimaschutz einnimmt: Die österreichischen Klimaschutzziele gehen nicht nur inhaltlich, sondern auch im Hinblick auf die Umsetzungsfrist deutlich über die EU-Vorgaben (vor allem: Renewable Energies Directive II, „RED-II RL“) hinaus. Zu diesen Zwecken wurde bis zu EUR 1 Mrd jährlich als Unterstützungsvolumen veranschlagt.
Das Erneuerbaren Ausbau Gesetz
Das EAG legt den gesetzlichen Rahmen zur Erreichung des Ziels „100% erneuerbarer Strom bis 2030“ fest. Dazu soll die Stromerzeugung durch verschiedene nachhaltige Technologien um insgesamt 27 TWh (= 27 Mrd kWh) gesteigert werden, wobei der Ausbau folgende Zielwerte bis ins Jahr 2030 verfolgt:
Erneuerbare Energiequellen |
Derzeitige jährliche Erzeugungskapazität |
Aktueller Anteil an der Stromerzeugung |
Geplante Erhöhung Erzeugungskapazität bis 2030 |
Photovoltaik |
1 TWh | 1 % | 11 TWh (+ 1100 %) |
Windkraft |
7 TWh | 10 % | 10 TWh (+ 140 %) |
Wasserkraft |
44 TWh | 60 % | 5 TWh (+ 11 %) |
Biomasse |
4 TWh | 6 % | 1 TWh (+ 25 %) |
Gesamt |
56 TWh |
77 % |
27 TWh (+ 48 %) |
Statt einer – von begrenzten Jahreskontingenten bestimmten – Stop-and-go-Politik forciert das EAG einen kontinuierlichen Ausbau über 10 Jahre, wobei strenge Kriterien in Bezug auf Ökologie und Naturverträglichkeit zu beachten sein werden. Das am 16. September in Begutachtung geschickte Gesetzespaket enthält neben dem EAG auch weitreichende Änderungen der bestehenden Rechtsgrundlagen im Energiesektor, vor allem im Ökostromgesetz, im ElWOG sowie im Gaswirtschaftsgesetz. Als flankierende Maßnahmen zum EAG wurden im Regierungsprogramm unter anderem „notwendige Netzinfrastrukturinvestitionen“ und ein „wirksames Energieeffizienzgesetz“ angekündigt.
Neue Ökostromförderung: Marktprämien und Investitionszuschüsse statt Einspeisetarife
Derzeit vergütet die Abwicklungsstelle für Ökostrom AG (OeMAG) die in das Netz eingespeisten Energiemengen der geförderten Ökostromanlagen mit fixen Einspeisetarifen. Die Ökostromförderung nach dem EAG wird hingegen auf einem Mix aus Marktprämien und Investitionsförderungen basieren, wobei bei den Marktprämien teilweise die – kontrovers diskutierten – Ausschreibungen miteinbezogen sein werden.
– Größere Ökostromanlagen sollen künftig durch Marktprämien gefördert werden, die als Zuschuss auf den erzielten Marktpreis gewährt werden. Sie sollen dazu dienen, die Differenz zwischen den Produktionskosten von Ökostrom und dem durchschnittlichen Marktpreis für Strom teilweise bzw ganz auszugleichen. Eine wesentliche Neuerung wird sein, dass Marktprämien die Direktvermarktung des erzeugten Ökostroms durch die Stromerzeuger (oder durch einen beauftragten Unternehmer) voraussetzen sollen.
– Der Entwurf sieht vor, dass Marktprämien bei Wasserkraft-, Biogas- und Windkraftanlagen (bis 2024) auf Antrag, bei PV-, Biomasse- und Windkraftanlagen (ab 2024 mit standortspezifischem Zu- oder Abschlag) hingegen im Rahmen einer Ausschreibung gewährt werden. Ausschreibungen sollen nach dem Billigstbieterprinzip erfolgen. Deren Einführung wurde – wegen der damit notwendigerweise einhergehenden knappen Projektkalkulation – zB von der IG Windkraft scharf kritisiert, weil dies etwa in Deutschland und Frankreich nachweisbar dazu geführt habe, dass der Windkraftausbau eingebrochen sei. Die auf Antrag zu vergebenden Förderverträge sollen im Gegensatz dazu nach dem First-Come-First-Serve-Prinzip vergeben werden, wobei die Höhe der Marktprämie für jedes Kalenderjahr technologiespezifisch durch Verordnung festzulegen sein wird.
– Kleinere Ökostromanlagen sollen künftig durch Investitionszuschüsse gefördert werden. Diese Zuschüsse für die Neuerrichtung, Revitalisierung und Erweiterung von Anlagen und Stromspeichern sollen vor Beginn der zu fördernden Arbeiten beantragt und bei Inbetriebnahme ausbezahlt werden. Im Entwurf ist vorgesehen, dass Investitionszuschüsse ausgeschlossen sind, wenn eine Förderung durch Marktprämien gewährt wird.
Förderverträge sind derzeit in der Regel auf 13 Jahre ab Inbetriebnahme der Anlage begrenzt, was die Projektkalkulation angesichts hoher Investitionskosten häufig schwierig gestaltet. Die künftigen Rahmenbedingungen bieten Ökostromproduzenten mehr Planungssicherheit: Die Förderungen in Form von Marktprämien sollen ab Inbetriebnahme der Anlage für 20 Jahre gewährt werden. Der EAG-Entwurf sieht als Übergangsregelung vor, dass Anlagenbetreiber mit aufrechtem Fördervertrag binnen eines Jahres nach Inkrafttreten in das neue Marktprämienmodell wechseln können. Diese Übergangsregelung wird vermutlich auf großes Interesse stoßen, da die Förderdauer durch einen Wechsel des Förderregimes effektiv um bis zu 7 Jahre verlängert werden kann.
Energiegemeinschaften
Energiegemeinschaften sollen künftig den Ausbau eines dezentralen Netzes erneuerbarer Energie unter Einbeziehung verschiedenster Akteure fördern und somit wesentlich zur Energiewende beitragen. Es wurden zwei Modelle angekündigt:
– Erneuerbare Energie-Gemeinschaften sollen künftig die gemeinsame Nutzung von regional produzierter erneuerbarer Energie zu attraktiven Konditionen ermöglichen. Mehrere Haushalte, Vereine, KMUs und auch Gemeinden können sich zu einer solchen Gemeinschaft zusammenschließen, eine Photovoltaik-Anlage erwerben und selbstständig energie- und kostensparend Ökostrom produzieren, nutzen, speichern oder auch verkaufen. Als wirtschaftliche Anreize sind ua eine mögliche Förderung mittels Investitionszuschusses, vereinfachter Netzzutritt sowie deutlich geringere Netzentgelte (auf die rund 25% des Strompreises entfallen) vorgesehen.
– Bürgerenergiegemeinschaften sollen künftig eine gemeinschaftliche Stromerzeugung sowie auch die Beteiligung an einer fremden Stromerzeugung ermöglichen, die nicht zwingend auf erneuerbaren Energiequellen beruhen muss. Dieses Modell steht zusätzlich auch größeren Unternehmen offen und kann sich über das gesamte Bundesgebiet erstrecken. Mit diesen Gemeinschaften werden völlig neue Akteure am Markt auftreten, denen viele verschiedene Aktivitäten bzw Dienstleistungen offenstehen, wie etwa Energieeffizienzdienstleistungen oder auch der eigenständige Betrieb von Verteilernetzen.
Eine zunehmende dezentrale (Selbst-)Versorgung mit Ökostrom könnte im Energiesektor erhebliche Veränderungsprozesse einleiten: Einerseits könnte in bestehende Geschäftsmodelle – vor allem der Energieversorger – eingegriffen werden, andererseits könnten mit Angeboten für Energiegemeinschaften auch neue Geschäftsmodelle entstehen. In Betracht kommen vor allem intelligente Systeme zur Erfassung von Energieproduktion und Energieströmen oder zum (automatisierten) Handel mit Energieüberschüssen, aber zB auch Lösungen zur lokalen kurz- und mittelfristigen Energiespeicherung zur Deckung von Spitzenlasten.
Fazit und Ausblick
Das EAG wird den Anstoß für die österreichische Energiewende geben: Wind-, Wasser-, Photovoltaik- und Biomasseanlagen werden massiv ausgebaut, die Ökostromförderung wird völlig neu geregelt und „Energiegemeinschaften“ werden als neue Akteure im Energiesektor auftreten. Es ist mit Spannung zu erwarten, welches Ausmaß die dezentrale (Selbst-)Versorgung mit Ökostrom in den nächsten Jahren einnehmen wird und welche Veränderungen im Energiesektor damit einhergehen werden.
ANSPRECHPARTNER
Dr. Dieter Buchberger, LL.M. Eur.
Partner
Dr. Franz Josef Arztmann, MBA
Partner
Dr. Stefan Niederstrasser
Rechtsanwaltsanwärter