Der OGH hat sich jüngst mit der Befugnis des Verlassenschaftskurators, im Rahmen seiner Vertretung der Verlassenschaft einen Generalversammlungsbeschluss zu fassen, mit dem eine Satzungsänderung beschlossen wird, auseinandergesetzt (2 Ob 158/21f).

Sachverhalt

Der Verstorbene hinterließ einen erwachsenen Sohn, eine Ehefrau und zwei minderjährige Kinder. Im Vermögen des Verstorbenen befanden sich unter anderem der 90%ige Anteil an einer GmbH, an welcher der erwachsene Sohn die verbleibenden 10% hielt. Per Vermächtnis wurden den minderjährigen Kindern jeweils 12,5 % der Anteile an der GmbH und dem erwachsenen Sohn die restlichen 65% der Anteile hinterlassen. Bereits vor dem Tod des Erblassers wurde zur Finanzierung einer neuen Produktionshalle eine Finanzierungsvereinbarung abgeschlossen, in der sich die GmbH gegenüber einem Garantiegeber und dem Kreditgeber verpflichtet hatte, Gewinnausschüttungen nur nach Zustimmung des Garanten vorzunehmen. Sollte entgegen dieser Verpflichtung ausgeschüttet werden, konnte der volle Kreditbetrag sofort fällig gestellt werden. Um dieser Verpflichtung zu entsprechen, beantragte der Verlassenschaftskurator während des Verlassenschaftsverfahrens die verlassenschaftsgerichtliche Genehmigung des Änderungsbeschlusses, mit dem im Gesellschaftsvertrag eine vom Vollausschüttungsgebot abgehende Regelung festgelegt werden sollte.

Das Verlassenschaftsgericht wies den Antrag des Verlassenschaftskurators ab; das Rekursgericht gab dem Rekurs des Verlassenschaftskurators Folge und erteilte die Genehmigung. Der OGH gab wiederum dem außerordentlichen Revisionsrekurs der minderjährigen Kinder Folge und stellte die Entscheidung des Erstgerichts wieder her.

Aus der Begründung des OGH

Der Verlassenschaftskurator ist Vermögensverwalter und Vertreter nur der Verlassenschaft. Er hat somit nur die Interessen der Verlassenschaft zu wahren, handelt dabei allerdings materiell für die späteren wahren Erben. Für Vertretungshandlungen des Verlassenschaftskurators ist § 167 Abs 3 ABGB einschlägig, wonach Vertretungshandlungen außerhalb des ordentlichen Wirtschaftsbetriebs der gerichtlichen Zustimmung bedürfen. Aufgrund des strengen Prüfungsmaßstab des § 167 ABGB dürfen Handlungen des Kurators nur genehmigt werden, wenn sie im Interesse der Verlassenschaft liegen und für diese vorteilhaft sind.

Im Zuge der Vertretung der Verlassenschaft ist der Kurator für die Setzung der zur ordentlichen Verwaltung erforderlichen Maßnahmen und Vertretungshandlungen zuständig, was grundsätzlich auch die Ausübung der Stimmrechte, die mit einem in die Verlassenschaft fallenden Geschäftsanteil verbunden sind, umfasst. Es ist dabei im Einzelfall zu beurteilen, ob diese Ausübung der Stimmrechte eine Maßnahme des genehmigungspflichtigen außerordentlichen Wirtschaftsbetriebs darstellt. Die im vorliegenden Fall zu beurteilende Satzungsänderung wurde vom OGH als solche qualifiziert.

Nach den Ausführungen des OGH ist der Verlassenschaftskurator jedenfalls nicht befugt, das Schicksal des Nachlasses nachhaltig zu gestalten, da er den Erben nicht vorgreifen sollte. Die Erben sollten die gleichen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten wie der Erblasser erhalten, diesen sollte der Kurator nicht zuvorkommen. Eine mögliche Ausnahme besteht laut OGH, wenn der Erblasser die Satzungsänderung schon zu Lebzeiten in die Wege geleitet hat oder bei dringend erforderlichen Sanierungsmaßnahmen, soweit damit die befürchteten Nachteile von der Gesellschaft abgewendet werden können.

Darüber hinaus ist es nach Ansicht des OGH nicht Aufgabe des Verlassenschaftskurators, im Rahmen der Verwaltung eines Geschäftsanteils an gesellschaftsrechtlichen Vorgängen mitzuwirken, deren Zweck erst nach der Beendigung des Kuratels eintritt. Dies wäre bei der zu beurteilenden Satzungsänderung allerdings der Fall, die sich (in Form einer Beschränkung des Gewinnausschüttungsanspruchs) insbesondere nach Beendigung des Kuratels auswirken würde.

Zusammengefasst bestand daher laut OGH kein Anlass, dem Verlassenschaftskurator zu gestatten, das Schicksal der Gesellschaftsanteile des Nachlasses nach dessen Ausscheiden nachhaltig zu gestalten und damit endgültige Weichen für die Zukunft zu stellen. Mangels  klaren Vorteils sowohl für die Verlassenschaft als auch alle wahren Erben seien die für die Genehmigung erforderlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen, weshalb dem Revisionsrerkurs Folge zu geben und der erstinstanzliche Beschluss wiederherzustellen war.

Anmerkungen

Im Ergebnis stellt sich die Frage, ob die vom OGH vorgenommene Interpretation tatsächlich den Interessen der Verlassenschaft bzw der Erben entspricht.

Zunächst führt der OGH selbst aus, dass eine Ausnahme vom Grundsatz, dass die nachhaltige Gestaltung des Schicksals des Nachlasses unzulässig sei, etwa darin besteht, dass die Satzungsänderung schon zu Lebzeiten des Erblassers „in die Wege geleitet“ worden ist. Im vorliegenden Fall hatte der Erblasser gemeinsam mit seinem volljährigen Sohn, dem Minderheitsgesellschafter, aber bereits vor seinem Tod eine Finanzierungsvereinbarung abgeschlossen, und sich bei fehlender Zustimmung des Garanten zu einer Ausschüttung zur Gewinnthesaurierung verpflichtet – was nun dem mangels anderslautender gesellschaftsvertraglicher Regelung geltenden Vollausschüttungsgebot widersprochen hätte. Es scheint schwer vorstellbar, dass im Hinblick auf den offenkundig vorliegenden Finanzierungsbedarf der Gesellschaft und die Unterstützung der Gesellschafter zur Erlangung der Finanzierung (einschließlich des in diesem Zusammenhang gemachten Zugeständnisses, Gewinne nur mehr unter bestimmten Voraussetzungen auszuschütten) nicht auch die entsprechende Einschränkung des Gewinnbezugsrechts bereits „in die Wege geleitet“ worden sein soll, mag auch der „Formalakt“ der Beschlussfassung in der Generalversammlung und Eintragung im Firmenbuch noch nicht gesetzt worden sein.

Darüber hinaus stellt sich auch die Frage, ob die Satzungsänderung tatsächlich nachteilig für die Verlassenschaft bzw die Erben gewesen wäre – oder ob es nicht vielmehr im Gegenteil das Unterbleiben ist: Finanzierungsvereinbarungen sehen in der Regel ein Kündigungsrecht und Recht des Kreditgebers vor, den offen aushaftenden Kreditbetrag sofort fällig zu stellen, wenn verlangte Sicherheiten nicht (rechtzeitig) beigebracht werden können. Bei einem Kreditvolumen von EUR 10 Millionen ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die unmittelbare Fälligstellung des gesamten Kredits durch den Kreditgeber infolge Unterbleibens der Gesellschaftsvertragsänderung die Insolvenz der Gesellschaft zur Folge gehabt hätte oder hat. Vor diesem Hintergrund scheint die Bewahrung des Vollausschüttungsgebots für die Verlassenschaft bzw die Erben nur auf den ersten Blick und nur kurzfristig vorteilhafter zu sein; völlig außer Acht gelassen wurde, dass mit der Untersagung der Zustimmung die Existenz der Gesellschaft unmittelbar bedroht sein könnte – womit aber auch in erheblich größerem Ausmaß die Interessen der Verlassenschaft bzw der Erben beeinträchtigt waren.

ANSPRECHPARTNER

Stephanie Sauer

Michael Hauer

Michael Hauer